„Ich würde nie einen IQ-Wert nennen”

Diplom-Psychologin Katharina Schmidt führt eine Normstudie mit Erwachsenen und Kindern ab drei Jahren durch. Mit den Ergebnissen können später Intelligenzwerte von Menschen in jedem Alter verglichen werden. Mit uns sprach sie über Gummibärchen, kluge Kinder und übereifrige Eltern.

FURIOS: Frau Schmidt, Sie arbeiten in ihrer Studie mit Kindern ab drei Jahren. Das kann ja manchmal schwierig sein. Was machen Sie anders als in der Arbeit mit Erwachsenen?
Katharina Schmidt: Ich würde Erwachsenen keine Gummibärchen anbieten, die habe ich für die Kinder natürlich immer dabei.

Gibt es Situationen, in denen auch Gummibärchen nicht weiterhelfen? Was sind die alltäglichen Herausforderungen im Umgang mit Kindern?
Ich finde es generell schwierig, mich auf Kinder einzustellen, die ich nicht kenne. Ich bin zwar Mutter, aber das befähigt mich leider nicht, mit Kindern jeden Alters zu kommunizieren. Gerade bei Kleinkindern fällt auch die Beurteilung der Fähigkeiten schwer. Wenn ein Kind etwa eine Aufgabe nicht löst, weiß ich dann nicht unbedingt: Ist es dazu nicht in der Lage oder findet es einfach die Materialien so spannend, dass es sich nur noch darauf konzentriert?

Und was ist mit Kindern einfacher als mit Erwachsenen?
Kinder sind viel spontaner. Wenn man fragt: „Wollen wir die nächste Aufgabe machen?“, sagen die schonmal „Nö!“. Viele von ihnen halten sich nicht zurück und fragen dann „Was schreibst du denn da?“ oder „Habe ich das richtig gemacht?“. Ich persönlich finde das toll, aber einfacher würde ich das nicht unbedingt nennen. Man muss eben auch als Psychologe der Typ für diese Arbeit sein.

Ihre Studie soll Normen entwickeln, um Intelligenzwerte vergleichbar zu machen. Aber wie definiert sich Intelligenz eigentlich?
Intelligenz ist in unserem Fall die Fähigkeit, sich mit der Umwelt erfolgreich auseinanderzusetzen, Probleme zu lösen und mit Situationen so umzugehen, dass es für einen selbst und auch für andere sinnvoll ist.

Denken Sie, dass es eine Auswirkung auf die Entwicklung kleiner Kinder hat, wenn man ihnen oder ihren Eltern einen IQ-Wert nennt?
Einen genauen Wert würde ich niemals nennen. Ich würde Eltern nur sagen, ob das Kind für sein Alter normal entwickelt ist und ob es besondere Fähigkeiten hat. Es gibt ja nicht nur einen Wert, wir erstellen ein Profil der Fähigkeiten und man kann so zum Beispiel sagen: „Im Schlussfolgern ist ihre Tochter total gut, sie hat ein super Gedächtnis, dafür braucht sie ein bisschen länger, um Informationen zu verarbeiten.“

Warum sind sie dagegen, bei Intelligenztests genaue IQ-Werte zu nennen?
Ich befürchte, dass ein gering ausfallender Wert zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden könnte. Dass Kinder also sagen: „Ich brauche mich gar nicht anzustrengen, ich bin ja eh doof.“ Und umgekehrt kann es auch einen unheimlichen Druck aufbauen, wenn die Eltern sagen: „Du hast doch so einen hohen IQ, du musst jetzt auch gute Noten heimbringen.“ Intelligenz ist relativ stabil, aber diese Werte können sich im Laufe des Lebens noch verändern. Vor allem sagen sie nicht unbedingt etwas darüber aus, wie sich ein Kind in der Schule schlagen wird.

Was können Eltern dann überhaupt mit den Testergebnissen anfangen?
Ich glaube, die Ergebnisse können sehr nützlich sein, um zu schauen, in welchen Bereichen das Kind gefördert werden kann und worauf man achten sollte. Nicht mit Druck, sondern sensibel, mit Blick darauf, was dem Kind guttut.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.