Die Rechten kommen!

Es ist geschehen: Die Jugendorganisation der AfD ist in ein Studierenden-Parlament eingezogen. Das darf die politische Universität nicht kalt lassen und muss Anlass für Debatten sein, meint Björn Brinkmann.

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„Rechtspopulistisch”, „neoliberal”, „rechtskonservativ”, „völkisch-national”, ja „rechtsradikal” – all das konnte die AfD bisher sein – aber studentisch? Bei den Stupa-Wahlen an der Universität Kassel stimmten vergangene Woche 4 Prozent der Studierenden für den hochschulpolitischen Arm der „Jungen Alternative” (JA), der Jugendorganisation der AfD, und wählten somit den ersten dezidiert rechtskonservativen Studierendenvertreter Deutschlands ins Amt. Dies dürfte eine Überraschung für viele Beobachter bedeuten, waren doch bisher die Universität und das akademische Milieu kaum das bevorzugte Kampffeld der Rechts-außen-Partei.

Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass bereits seit geraumer Zeit die Gründungen von AfD-nahen Hochschulgruppen zunehmen – oftmals mit Bezügen zu rechten Burschenschaften wie etwa in Göttingen. Der berühmte gesellschaftliche „Rechtsruck” erreicht auch die Unis und konnte in Kassel einen ersten, wenn auch marginalen Etappensieg feiern.

Ignoranz ist keine Lösung

Angesichts des stillen Booms rechter, universitärer Strukturen stellt sich zunächst die Frage des Umgangs mit den reaktionären Forderungen und Erfolgen: Fatal wäre ein rhetorisches Schulterzucken, wie es der linke Asta in Kassel vormacht. Dort lautet die Strategie nach dem JA-Wahlerfolg abwarten und Tee trinken, frei nach dem Motto, Aufmerksamkeit helfe der AfD am meisten.

Eine solche Herangehensweise verweigert sich nicht nur einer inhaltlichen Debatte, sondern verkennt auch die Dynamik des politischen Dialogs, in dem es vor allem auf die Art und Weise der Auseinandersetzung mit zündelndem Gedankengut ankommt. Es heißt Abstandnehmen von einer undifferenzierten, moralischen Stigmatisierung der AfD, die Platz für eine Profilierung als politisches Opfer schafft. Die Antwort auf rechte Meinungen auf dem Campus muss somit eine detaillierte Debatte über Inhalte sein: Offen, sachlich und schonungslos.

Wenn die erfolgstrunkene Hochschulgruppe der „Jungen Alternative Kassel” in ihrem Wahlprogramm stolz die Errichtung einer „patriotischen Hochschule” fordert, dann gilt es den Patriotismus kritisch zu hinterfragen und ihn als unwissenschaftliche Haltung zu benennen. Und wenn ihr frisch gewählter Studierendenvertreter Marius Dilli ernsthaft vorschlägt, man müsse an den Grenzen „ja nicht unbedingt tödlich schießen”, denn es könnten auch Gummigeschosse eingesetzt werden, um Flüchtlinge vom Übertritt abzuhalten, dann ist dies als die menschenverachtende und durch irrationale, völkische Paranoia inspirierte Haltung zu bezeichnen, die sie ist.

Zeit für mehr Diskussionen!

Denn das radikale Hinterfragen ist jenen eine wissenschaftliche Waffe, die die Universität als Ort der gesellschaftlichen Zukunft ausmachen sollte. Inhaltliche Auseinandersetzungen dieser Art finden allerdings im Uni-Alltag im Jahr 2016 kaum noch – wenn überhaupt – Platz. Die seit Jahren voranschreitende Entpolitisierung des Studiums ist nicht nur spürbar, wenn demokratische Gremien schleichend entmachtet werden und Fachschaftsinitiativen nur noch Filmeabende veranstalten – sondern auch und besonders dann, wenn unter Studierenden kaum ein kritischer Dialog zu politischen Themen stattfindet. Denn die nächsten Deadlines rücken näher und für Auseinandersetzungen mit politischen Positionen gibt es in der Regel keine Credit Points.

Das politische Tauziehen unserer Zeit ist längst an der Universität angekommen, das zeigt Kassel einmal mehr. Um es zu meistern, ohne die Wissenschaft nationalistischen, reaktionären und marktradikalen Einflüssen preiszugeben, muss sie sich neu als das begreifen, was sie ist: Durch und durch politisch.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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