Erasmus muss sein

Bedeutet der Brexit auch ein Ende des Erasmus-Programms in Großbritannien? Warum zukünftige Erasmus-Studierende beruhigt sein können und welche Entwicklungen in Zukunft möglich sind, weiß Kim Mensing.

Die berühmte Cambridge-Universität: Bald Geschichte im Erasmus-Programm? Foto: flickr/dulcieemerson

Die berühmte Cambridge-Universität: Bald Geschichte für Erasmus? Foto: flickr/dulcieemerson

Nach dem Referendum für den „Brexit“ sind die zukünftigen Entwicklungen nur schwer absehbar – das betrifft auch das Erasmus-Programm. Das Studierenden-Service-Center der FU versichert zwar, dass das Referendum momentan noch keine Auswirkungen auf das Erasmus-Programm habe. Zwischen dem Referendum und dem tatsächlichen Austritt aus dem EU-Vertrag stehen schließlich noch einige Hürden – und die Parteien können sich mit der Unterzeichnung des Austritts zwei Jahre Zeit lassen. Doch was ist mit der Zeit danach? Macht es überhaupt Sinn, heute einen Erasmus-Austausch nach Großbritannien für 2018 zu planen?

Forschung und Lehre brauchen Diversität

Annette Stemmerich lehrt Englisch am Sprachenzentrum und ist Ansprechpartnerin für Studierende, die mit Erasmus nach Großbritannien gehen wollen. Sie sieht die Lage nach dem Brexit hinsichtlich des Erasmus-Programms gelassen – und das scheint auch bei den Studierenden nicht anders zu sein. Vor wenigen Tagen habe es die erste Nachfrage von einer Studentin gegeben, die einen Aufenthalt in Schottland plant. Stemmerich konnte sie beruhigen: „Der Vertrag mit Erasmus läuft noch bis 2021. Bis dahin, denke ich, wird sich bestimmt nichts ändern.“ Doch auch für die Zeit danach ist sie guter Dinge. Die Universitäten seien abhängig von internationalen Studierenden und Lehrkräften. Gute Forschung und Lehre brauchten Diversität, Offenheit und unterschiedliche Herangehensweisen. Sie empfehle Studierenden daher, sich weiterhin zu bewerben.

Universitäten als Unternehmen

Auch wirtschaftlich spricht einiges gegen den Austritt Großbritanniens aus dem Erasmus-Vertrag. Wenn es nach den Universitäten ginge, würde sich eine große Mehrheit für die Weiterführung aussprechen, meint Stemmerich: „Der Austritt ist für sie eine finanzielle Frage. Universitäten in Großbritannien werden wie Unternehmen geführt.“ Einige von ihnen haben einen Ausländeranteil von über 30, manche sogar 50 Prozent. Das sind doppelt so viele wie an der FU. Die Gelder, die Großbritannien dafür von der EU bekommt, würden im Falle eines Austritts aus dem Eramus-Programm fehlen. Das hätte wohl einen drastischen Rückgang an internationalen Studierenden zur Folge – nicht nur, weil sich viele die hohen Studiengebühren nicht leisten können, sondern auch, weil dann weniger Plätze vorhanden wären. Der Austausch zwischen Großbritannien und EU-Staaten wäre dadurch sehr eingeschränkt.

Eine Frage bleibt jedoch offen: Wie verhalten sich Studierende nun gegenüber Großbritannien? In dieser Zeit direkt nach dem Referendum ist das Vertrauen der EU-Bürger in Großbritannien gebrochen, Wut und Enttäuschung sind groß. Einige Studierende könnte dies davon abhalten, sich für britische Universitäten zu bewerben. Wie genau eine künftige Erasmus-Vereinbarung aussehen könnte und wie sich dies auf die Stimmung der Studierenden auswirkt, darüber lässt sich nur spekulieren. Es bleibt die Hoffnung, dass England sich trotz eines möglichen EU-Austritts offen zeigt – damit zumindest unter Studierenden noch reger Austausch zwischen Europa und Großbritannien herrscht.

Erasmus ist ein Programm der EU zur Förderung von Auslandsaufenthalten und Universitäten. Seit 2014 wird es zusammen mit verwandten Bildungs- und Austauschprogrammen unter „Erasmus+“ zusammengefasst. An dem Programm nehmen nicht nur alle Mitgliedstaaten der EU, sondern auch die Türkei, Norwegen, Liechtenstein und Island teil. Voraussetzung zur Teilnahme an dem Programm ist demnach nicht die EU-Mitgliedschaft – es wird allerdings vorausgesetzt, dass die Personenfreizügigkeit in den teilnehmenden Ländern gewährleistet ist. Die Schweiz wurde 2014 aus dem Programm ausgeschlossen, da sie sich in einem Volksentscheid gegen Masseneinwanderung aussprach und damit die Personenfreizügigkeit einschränkte.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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