Immer mehr Studierende an den Berliner Hochschulen sind minderjährig. Die deutschen Universitäten sind darauf nicht vorbereitet. Sie könnten sich eine Scheibe bei den Briten abschneiden, findet Josephine Semb.
Einschulung mit fünf, Abitur mit 17, Bachelor mit 20? Über 380 Minderjährige studieren an der FU. Eine Studie der Berliner Morgenpost zeigte, dass die Zahl der minderjährigen Studierenden in Berlin jedes Jahr steigt. Aber was bedeutet es eigentlich für die Studierenden, gestern noch von Mama die Unterschrift zur Immatrikulation zu benötigen und heute schon erwachsen sein zu müssen? Und wie kann man jungen Studierenden den Einstieg erleichtern?
Die Ersti-Wochen sind beispielsweise eine der beliebtesten Zeiten für Studierende: Freunde finden, noch keine Vorlesungen und endloses Feiern stehen auf dem Programm. Aber wenn dich deine Kommilitonen behandeln wie ein Kind und dich kein Club nach 12 Uhr ohne den peinlichen „Mutti-Zettel“ reinlässt, kann diese Zeit des Erwachsenwerdens ganz schnell härter werden, als sie es sollte.
Fresher Year für alle
Es ist kein Geheimnis, dass unsere bald ehemaligen EU-Partner einen besonders guten Ruf bezüglich Bildung genießen. Da es in Großbritannien das System der Prep-School, also der Einschulung mit vier oder fünf Jahren, schon lange gibt, ist es dort Gang und Gäbe, mit 17 die Schule zu beenden. Früh wurde dort erkannt, dass die jüngeren Studierenden es schwerer haben in die Universität hinein zu finden. Um ihnen den Einstieg zu erleichtern, erfand man das „Fresher Year“.
Im “Fresher Year”, also den ersten zwei Semestern, ist Uni noch ein bisschen so wie Schule. Alle Studierenden haben einen festgelegten Stundenplan, werden dazu angeraten sich in Clubs zu engagieren und leben in Studentenunterkünften. Während die Stundenpläne dafür da sind, zu vermeiden, dass Studierende einfach so ins kalte Wasser geworfen werden, sorgen die Dorms dafür, dass Leute aller Fächer und Altersgruppen zusammen leben. Anders als in Deutschland, wo viele Studierende aus Not in Studentenwohnheime ziehen, erfreuen sie sich in Großbritannien großer Beliebtheit. Sie bieten minderjährigen Studierenden die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, ohne in Bars nach dem Ausweis gefragt und nach Hause geschickt zu werden.
Natürlich hat das britische System auch einige Makel: Studierende stecken noch ein weiteres Jahr in einem Schul-Ambiente fest. Eine Aussicht die hier von vielen als schrecklich empfunden würde, schränkt sie doch die Freiheiten stark ein. Uni wird so zum Hauptfokus des Tages, nebenbei Arbeiten nahezu unmöglich. Grundsätzlich schafft das “Fresher-Year” aber eine Gemeinschaft, von der Studierende allen Alters profitieren können. Die FU könnte sich davon ein paar Scheiben abschneiden. So könnte sie jüngeren wie älteren Studierenden den Start in die Uni erleichtern.