Die verlorenen Filme

Ins Kino statt in die Vorlesung, sehr gern! Oder geht auch beides? Im Kino Arsenal läuft derzeit eine Vorlesungsreihe, die sich mit dem Thema „Die Filmwissenschaft, das Archiv und die Differenz“ beschäftigt. Von Sara-Marie Plekat

Hat man nicht jeden Tag: Bequeme Kinosessel statt harte Vorlesungsbänke. Foto: pixelflake (Flickr)
Gibt es nicht jeden Tag: Bequeme Kinosessel statt harte Vorlesungsbänke.
Foto: pixelflake (Flickr)

Eine Vorlesung inklusive Kinobesuch: Das bietet die Vorlesungsreihe „Die Filmwissenschaft, das Archiv und die Differenz” im Kino Arsenal. Sie thematisiert die Relevanz von Archiven für die filmwissenschaftliche Forschung. Dafür begibt sich FU-Professorin Sabine Nessel eigens ins Archiv und gräbt jeden Dienstag einen Film aus.

Zur Veranstaltung am 14. November hielt Gastrednerin Stefanie Schulte Strathaus, Filmkuratorin und Vorstandmitglied des Arsenals, einen Vortrag. Thema war das “Living Archive” des Arsenals als spezielles Sammlungs- und Archivkonzept. Die Geschichte des 1963 gegründeten Arsenal-Filmarchivs ist eine Geschichte der verloren gegangenen Filme. Das Institut für Film und Videokunst umfasst mittlerweile rund 10.000 einzigartige Sammlerstücke – vorwiegend Avantgardefilme und Werke, die aufgrund von politischen Umständen in Vergessenheit geraten zu drohen.

Aus dem Untergrund ins Archiv

Die Ambition des Projekts Living Archive ist es, diese Filme nicht nur zu sammeln, sondern auch zu zeigen. Insbesondere stehen Filme im Fokus der Sammlung, die eine Exklusion aus hegemonialen Systemen erfahren haben, weil sie entweder Regimekritisch waren oder im Untergrund produziert wurden. Allerdings ist das keine Bedingung für die Aufnahme ins Archiv. Für Schulte Strathaus ist das Projekt zentral: Nur durch den Austausch mit dem Publikum und dessen Rezeption könnten die Werke im Sinne ihrer Macher und Macherinnen wirken.

Im Anschluss an den Vortrag zeigte Schulte Strathaus ein amerikanisches Sammlerstück aus den 1940ern: „Dance, Girl, Dance“ thematisiert die Rolle der Frau im damals patriarchischen System. Hollywood ist sowohl vor als auch hinter der Kamera eine männerdominierte Welt. Die Regisseurin Dorothy Arzner ist eine der wenigen Frauen, die zu dieser Zeit dort tätig waren. Sie erzählt die Geschichte zweier Tänzerinnen, die sich auf dem besten Weg zu ihren Traumberufen befinden. Bubbles (Lucille Ball) zieht es auf die Burlesque-Bühne, Judy (Maureen O´Hara) dahingegen zum Ballett.

Klischees und Feminismus

Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können und doch stehen sie am Ende gemeinsam auf der Bühne. Bubbles als Star des Abends und Judy als Pausenclown, weil Ballett nicht für die breite Masse, die vor allem die Obszönität liebt, gemacht ist. Bubbles ist es, die als erste Erfolg hat. Auf ihr äußeres Erscheinungsbild, als sogenanntes „leichtes Mädchen“ reduziert, bekommt sie schnell Zuspruch von dem (vorwiegend) männlichen Publikum. Und doch ist es Judy, die am Ende für ihr Recht einsteht und dem Publikum in leicht theatralischer Haltung versucht das patriarchale System der 1940er, in dem sie sich als Frau behaupten muss, zu erklären und zu kritisieren.

Vom zeitgenössischen Publikum wenig beachtet, erlangte „Dance, Girl, Dance“ erst in den 70er Jahren größeren Zuspruch der breiten Öffentlichkeit, als der Film von der feministischen Frauenbewegung aufgegriffen wurde. Trotz zum Teil reproduzierter Klischees, die wohl ihrer Zeit geschuldet waren, ein sehenswerter Film. Das Arsenal wird mit seiner Arbeit solch wichtige filmwissenschaftliche Diskurse aufrecht erhalten. Die Vorlesungsreihe läuft bis Februar und ist für alle Interessierten offen. Im Programm stehen unter anderem noch Filme wie „King Kong” in der Erstverfilmung von Merian Cooper und Ernest Schoedsack aus dem Jahr 1933.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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