Die Südkoreanerin Pilwha Chang ist eine Pionierin der Gender Studies in Asien. Rebecca Stegmann hat von der FU-Gastprofessorin erfahren, warum Naturkatastrophen deutlich mehr Frauen töten.
Pilwha Chang war gerade einmal Anfang dreißig, als sie 1984 die erste Professur für Gender Studies in Asien antrat. Die heute 65-Jährige schmunzelt, wenn sie von dieser Zeit erzählt. „Ich war jünger als manche der Studentinnen, deswegen habe ich einen sehr unautoritären Unterrichtsstil entwickelt.“ Chang sitzt beim Gespräch im Institut für Koreastudien zurückgelehnt im Schreibtischstuhl, mit einer Tasse Kaffee in den Händen. Wenn ihre Gastprofessur für Geschlechterforschung an der FU im Frühjahr endet, will sie in Rente gehen.
Für sie ist der Studiengang Gender Studies nicht nur abstrakte, theoretische Analyse, sondern etwas sehr Persönliches, Fühlbares, Konkretes. „Es ist beides – Lernen und Verlernen.“ Mädchen werde antrainiert, wie sie sich als Frauen zu verhalten hätten: leise, zurückhaltend und respektvoll. Diese erlernte Unterlegenheit unterdrücke Frauen. Als sie 1984 ihren ersten Lehrplan ausarbeitete, habe sie deshalb großen Wert darauf gelegt, den Studentinnen beizubringen, dass sie eigenständig über ihr Leben entscheiden können.
Vom Koreakrieg zur Frauenforschung
Als Chang selbst ein Mädchen war, lag die Entstehung der Gender Studies noch in ferner Zukunft. Sie wuchs in den Jahren nach dem Koreakrieg auf, in einer Zeit, in der Südkorea begann alles auf Industrialisierung zu setzen und den Weg zum Fortschritt in der Wissenschaft zu sehen. „Ich hinterfragte, warum es kaum Wissenschaftlerinnen gab. Ich war auf der Suche nach Vorbildern“, erzählt Chang. Akademisch beschäftigte sie sich allerdings zunächst nicht mit Gender. Sie studierte Englische Literatur und arbeitete für eine christliche Organisation. Das von der UN ausgerufene Internationale Jahr der Frau, welches 1975 stattfand, nutzte diese Organisation, um Programme für eine Frauenbewegung in Südkorea auf die Beine zu stellen – Chang wurde mit der Leitung beauftragt.
In Zusammenhang mit dieser Arbeit wurde sie für ein Stipendium ausgewählt, das ihr ein Studium in England ermöglichte. Dort beschäftigte sie sich im Master mit Frauen im Bildungswesen und in ihrer Promotion mit Frauen in der Wirtschaft. Direkt im Anschluss wurde sie an die Ewha Womans University in Seoul berufen, um dort den neuen Masterstudiengang Frauenforschung zu leiten. Der Studiengang heißt auch heute noch so und wurde nicht in Gender Studies umbenannt, damit, so Chang, der historische Kontext erhalten bliebe.
Mehr Mut auf Bäume zu Klettern
Auch wenn sich seit ihrer Jugend und dem Beginn ihrer Karriere die Situation der Frauen verbessert hat, sieht die Professorin Geschlechtergleichheit noch längst nicht erreicht. Besonders gut illustriere das die „Gläserne Decke“: „Frauen werden in Sackgassen-Jobs eingesetzt, in Positionen, in denen es unwahrscheinlicher ist, dass sie befördert werden.“ Außerdem werde bei Frauen im Vergleich zu Männern immer noch viel mehr Wert auf das Aussehen gelegt. Lachend erzählt sie, wie sie früher ihre genervte Tochter beim gemeinsamen Fernsehen auf besonders sexistische Werbung hingewiesen habe.
An anderer Stelle hört man hingegen Wut in ihrer Stimme. „Mehr als 70 Prozent der hungernden Menschen sind Frauen. Bei dem Tsunami 2004 waren 80 Prozent der 200.000 Opfer Frauen.“ Der Grund dafür liege darin, dass Frauen oft nicht einfach weglaufen können, sie kümmern sich um die Kinder und Alten. „Ihnen wird nicht beigebracht, um ihr Leben zu laufen, ihnen wird nicht beigebracht zu schwimmen, sie werden nicht dazu ermutigt, Bäume hoch zu klettern.“ Um das zu ändern, so Chang, müsse sich die Gesellschaft ändern.
Zum Thema Ökofeminismus und Ernährungssicherheit hält die Professorin am 24. Januar um 18 Uhr einen Vortrag in der Holzlaube.