Das trojanische Pferd ist innen nicht hohl

Die Antilopen Gang hat ihr neues Album „Anarchie und Alltag“ genannt. Der Titel ist auf mehreren Ebenen Programm und Felix Lorber findet, er geht auf!

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Die Erwartungen an die Rapper der Antilopen Gang waren hoch. „Beate Zschäpe hört U2“ machte die Düsseldorfer Hip-Hop-Band einer breiteren Masse bekannt. Es folgten Einladungen in Talkshows, Soli-Konzerte und sogar ein Interview in der Tagesschau der ARD. Was die Gang selbst davon hält, macht sie sarkastisch mit der ersten Auskopplung „Das Trojanische Pferd“ klar, wenn sie mal eben die Revolution ausruft und ihre eigenen Medienauftritte als Schein bezeichnet, der nur dazu diente, „es in die Schweinewelt zu schaffen“. Einen Schein aufbauen und ihn dann wieder einstürzen lassen, das zieht sich durch das ganze Album und die Antilopen-Welt.

Überraschende Neuerungen im alten Sound

Mit überraschend harten, angenehm basslastigen Beats bieten die beiden ersten Lieder den Ausblick auf einen neuen Sound, den die Poprap-Single „Pizza“ jedoch gleich darauf wieder ad absurdum führt. Melancholischen Liedern, wie dem grandiosen „ALF“, stehen die altbekannten, frivol-entspannten Klavierbeats gegenüber. Die obligatorische Kritik, zu weich, zu poppig zu sampeln, steht so zwar immer wieder im Raum, doch die musikalische Ebene auf diesem dritten Album ist die wohl beste, weil ausgewogenste bisher. Erstmals fallen auch verstärkt Lieder mit Bandsound auf. Das gipfelt schließlich in „Baggersee“ , das an die Ärzte erinnert.

Die Texte machen den Unterschied

„Jeder, der behauptet, Antilopen können nicht rappen, lehnt sich zu weit aus dem Fenster, wie der Sohn von Eric Clapton“ – auch textlich passiert einiges auf dem Album. Von den berüchtigten Gaga-Spaß-Lines, die immer mal wieder unterhalb der Gürtellinie kratzen, über die viel zu eindeutigen, manchmal bis ins Ironische verkehrte links-antideutsch-Phrasen („Wäre es nicht praktischer, wenn dort, wo vorher Deutschland war, in ein paar Jahren ein Baggersee entsteht“) kulminiert der Antilopen-Humor im genialen Lied „Tindermatch“, einem erdachten Date des deutschen Vorzeige-IS-Kämpfers Denis Cuspert mit Pegida-Initiator Lutz Bachmann, die ungeahnte Gemeinsamkeiten entdecken und zueinander finden könnten. Daneben sind es aber auch und vielleicht besonders die eingestreuten nachdenklichen, in der Tradition des ehemaligen Mitglieds NMZS stehenden Texte, die hervorstechen.

Ein trojanisches Pferd

Und so entpuppt sich das Album schließlich selbst als das trojanische Pferd. Mal gibt man sich militant links, dann kokettierend mit dem eigenen Kommerz. Scheinbar hat man sich darauf geeinigt, massentauglich zu sein, doch das ganze Bild wird lieber wieder eingerissen, weil man schlicht keine Lust darauf hat. Die Anti-Alles-Attitüde bleibt frisch; was symbolisch im trojanischen Pferd aber das Äußere darstellt und was das Innere, das entscheidet jedes Hören neu.

Apropos: Für alle Hobby-Punker stellt das Bonusalbum „Atombombe auf Deutschland“, das man tatsächlich auch separat als stimmig-gelungenen deutschsprachigen Skatepunkrock hören kann, das wahre Highlight dar! Mit Größen wie Campino, Bela B. oder MC Motherfucker von der Terrorgruppe wurden alte Lieder der Antilopen Gang in neuen Punkversionen aufgenommen. Da heißt es nur: Dosenbier öffnen, Platte rein und der Wohnzimmer-Pogo kann beginnen!

Autor*in

Felix Lorber

schrieb, schreibt und wird geschrieben haben - für FURIOS und andere. Vorwiegend online, mal über Politik, mal über Musik.

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