Wer in Berlin lebt, belächelt Touristen meist für ihre Aktivitäten. Aber wer von uns hat schon selbst eine Busrundfahrt oder gar eine Segway-Tour gemacht? Aus Gründen der Selbstachtung entschied sich Theo Wilde für ersteres.
Ich steige am Alexanderplatz aus und umrunde das Park Inn mit seiner Bungee-Plattform und dem angegliederten Primark. Das muss also dieses flippige Berlin sein, von dem ich in den Medien gehört habe! Im Ticketbüro tausche ich meinen online erstandenen Voucher bei einer heftig berlinernden, missgelaunten Dame in ein Ticket für eine Busrundfahrt. Sie wiederholt ihre in einfacher Sprache vorgetragenen Anweisungen mehrmals, damit ich auch ja den Abfahrtspunkt auf der anderen Straßenseite finde. Mein freundlicher Gruß wird dort nicht erwidert – weder von dem nicht minder genervten Einweiser, noch von dem Busfahrer des dreiachsigen Doppeldeckers, in dem ich die nächsten 2,5 Stunden auf der Purple Line durch Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg verbringen werde.
Im Schnelldurchlauf durch die Stadt
Ich klettere hoch auf das Oberdeck. In der vordersten Reihe hat sich bereits eine schwedische Reisegruppe im besten Alter breitgemacht, sodass ich mich mit einem Platz etwas weiter hinten zufriedengeben muss. Ich bin froh, dass der Bus getönte Scheiben hat. Denn schon nach wenigen Ecken fallen mir die feindseligen Blicke der Passanten auf, mit dem sie das Blechmonster bedenken, das sich durch die verstopften Straßen zwängt. Im Preis von 16 Euro inbegriffen ist auch ein Paar wenig robuster Kopfhörer, mit dem man den Informationen des Audio-Guides lauschen kann. Im Streckenverlauf wirkt es ein bisschen so, als ob der Busfahrer sich ein Wettrennen gegen den Guide liefert – nur selten passen die Tonaufnahmen zu dem, was am Fenster vorbeizieht.
Inhaltlich bleiben mir nur wenige Informationen dieser Tour im Gedächtnis. Wer hätte gedacht, dass man die Dermoplastik des toten Eisbären Knut im Naturkundemuseum bewundern kann, oder dass das Soho House einmal der Hitlerjugend als Zentrale gedient hat? Abgesehen von diesen wenigen Highlights, erfahre ich leider nur wenig neue interessante Dinge. Der Spätzlekrieg in Prenzlauer Berg oder der „quirlige Mauerpark“, in dem man „Gaukler und schräge Vögel“ finden kann, reißen mich nicht vom Hocker.
Ernüchterung bis zum Schluss
Da sind meine Mitreisenden, die an den verschiedenen Stationen dieser Hop-On-Hop-Off-Tour aus- und zusteigen ungleich spannender. Mein Liebling ist einer der Schweden aus der ersten Reihe, der nach etwa einer Stunde anfängt zu vapen und jedes Mal verächtlich schnaubt, wenn das Wort Sozialismus fällt. Aber auch die beiden Spanierinnen direkt vor mir haben einen Platz in meinem Herzen sicher, als sie beginnen ihren Hunger mit sehr geruchsintensiven Stullen zu stillen.
Bevor es wieder zum Alex geht, ist die letzte Station das Jüdische Museum, welches aufgrund der begrenzten Zeit nur unzulänglich gewürdigt werden kann. Hier steige ich auch aus und erinnere mich an die Architekturführung, die ich mal durch das Museum gemacht habe. Die kann ich nämlich allen nur sehr ans Herz legen. Das gilt nicht für diese Busrundfahrt. Eine Frage beschäftigt mich seitdem: Wie können so viele Touristen nur so falsch liegen?