Eine Uni für sich

Von außen betrachtet wirkt die FU wie ein abgeschlossener Kosmos. Von innen vergisst man manchmal wie einzigartig sie ist. Wir erinnern euch an acht Charakterschwächen, die die FU zu einem Liebhabermodell machen. Von Theodor Wilde

Illustration: Katharina Chowanski

Die Silber-, Holz- und Rostlaube bilden zusammen einen labyrinthartigen Komplex, in dem man sich nur ungern alleine auf die Suche nach einem Raum machen möchte – zu real scheint die Gefahr, verloren zu gehen und erst Jahre später als Skelett wieder aufzutauchen. Um diesem Gräuel vorzubeugen, gibt es seit einiger Zeit die Terminals des Elektronischen Wegeleitsystems an Eingängen und wichtigen Wegkreuzungen, an denen man sich den schnellsten Weg zu seinem Raum anzeigen lassen kann. Eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Hilfestellung – für alle ohne abgeschlossenes Kartographiestudium.


Die von Sir Norman Foster entworfene Philologische Bibliothek ist ein architektonischer Leckerbissen. Wirklich einzigartig wird sie aber durch die Tatsache, dass es seit ihrer Eröffnung im Jahr 2005 nicht gelungen ist, das lecke Dach zu reparieren. Bis heute müssen bei jedem kräftigen Regenguss Eimer im Innern aufgestellt werden, um die Tropfen aufzufangen.
Immerhin eröffnet sich Studierenden, die mit einem defekten Laptop, etwas Geschick und nicht zuletzt ausreichend krimineller Energie ausgestattet sind, die Möglichkeit, ihren vorgeschädigten Laptop einfach so zu platzieren, dass er zusätzlich noch einen Wasserschaden bekommt. Denn in der Vergangenheit wurden Reparaturkosten tatsächlich schon von der Bibliothek beglichen.


An der Freien Universität hat man erkannt, woran es Deutschland lange Zeit gemangelt hat. Selbstverständlich geht es um das Pferdezentrum der FU in Bad Saarow, an dem man im Bachelor Pferdewissenschaften studieren kann. Das klingt anfangs ein bisschen nach Bibi und Tina. Daran ändert sich angesichts solcher Module wie »Mensch-Pferd-Beziehung« später nicht besonders viel, allerdings wird die universitäts- eigene Reiterhofidylle am Scharmützelsee noch durch eine weitere Komponente ergänzt. Das Vertiefungsmodul »Reproduktion« bereitet die Studierende nämlich auf ihren potentiellen Arbeitsplatz in einer Besamungsstation für Pferde vor.


Überall auf dem Campus finden sich die Villen der Berliner Reichen. Das sorgt dafür, dass der geneigte Klassenkämpfer nie weiter als einen Pflastersteinwurf von der verhassten Bourgeoisie entfernt ist. Während Revolutionäre anderswo weite Reisen auf sich nehmen müssen, um in Kontakt mit dem Klassenfeind zu kommen, lässt sich an der Freien Universität bequem auf dem Weg vom Marxismus-Seminar zum studentischen Kolloquium für Globalisierungskritik ein wenig Spucke in den Vorgärten der kapitalistischen Ausbeuter hinterlassen.


Bei der BVG hat man sich wohl gedacht, dass der Name des U-Bahnhofs »Dahlem-Dorf« so unsexy ist, dass man etwas unternehmen muss, um dem entgegenzuwirken. Und so wurden Sitzgelegenheiten installiert, die in ihrer Form nackten menschlichen Körpern nachempfunden sind. Das lässt den erschöpften Studierenden die Wahl, ob sie ihre Köpfe lieber an einen Busen aus Holz anlehnen möchten oder sich optional auf einem halb in die Sitzfläche eingelassenen Phallus niederlassen möchten. Und für alle, die sich nach dem Kampf mit den gleichsam hölzernen wie unbequemen Geschlechtsmerkmalen nach richtigem Körperkontakt sehnen, lässt die BVG sicherlich gerne einen komplett überfüllten Kurzzug halten, in dem man alle anderen Fahrgäste hautnah erleben kann.


Die korrekte Terminologie wird an der FU mitunter zwar nicht immer richtig, dafür aber großgeschrieben. Das macht sich gerne auch in den Seminaren bemerkbar, wo die ganz großen Debatten geführt werden, über die man Raum und Zeit vergisst: Durch die beharrlich fehlende Kompromissbereitschaft einiger Studenten verstreicht allein die Hälfte der Lehrveranstaltung damit, eine ausgiebige Diskussion darüber zu führen, ob man das Wort »Flüchtlingshilfe« aus seinem Sprachgebrauch entfernen sollte. Letztendlich kommt es doch zu keiner Lösung – dafür aber zu einigen persönlich verletzenden Kommentaren.


Winterzeit ist Glühweinzeit. Und wenn es mal kein Alkohol sein soll, gibt es auch verschiedene Alternativen ohne Umdrehungen, mit deren Hilfe man sich warmhalten kann. Warum sollte man aber auf so etwas Konventionelles wie heiße Schokolade zurückgreifen, wenn die Lösung doch so nahe liegt: Glühmate. Überall anders würde man für so eine Idee vom Pöbel mit Fackeln und Mistgabeln aus dem Dorf gejagt werden. Nicht so an der FU. Ob die Brühe schmeckt, ist dabei nur zweitrangig. Hauptsache innovativ.


Es ist ein Fluch. Egal wie progressiv man sich an der FU fühlt und geriert, es gibt immer noch Gruppierungen, die einen links überholen. Das mussten dieses Semester auch die Initiatoren der kritischen Orientierungswochen feststellen. Weil die Freie Universität nun einmal die Freie Universität ist, tauchte prompt und unausweichlich ein Flyer auf: Die ach so kritische Orientierungswoche spiele Alt und dem System in die Karten, indem sie die Subversion der Jugend kanalisiere. Ähnlich wie bei den Volksfronten in Judäa, gibt es aber mit Sicherheit auch eine weitere linke Gruppe an der FU, die diese Kritik der Kritik für kritisierbar genug hält, um ihren eigenen Senf dazuzugeben.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.