Im Kampf gegen die Massenkunst

Kunst wird immer mehr zum Massenprodukt. Als Zeichen gegen diese Entwicklung haben 165 Kunstschaffende in THE HAUS ihren eigenen „Temple of Style“ geschaffen. Josephine Semb hat sich ein Bild gemacht.

urban-art-2143183_1280

Streetart ist omnipräsent. Da lohnt sich ein genauerer Blick. Bild: pixabay

Seit Anbeginn der Zeit schaffen Menschen Kunst, um ihre Gedanken zu veranschaulichen. Ob Skizzen auf Höhlenwänden oder Marmorstatuen in Palästen – sie alle drücken etwas aus. Aber im 21. Jahrhundert ist das anders. Jeden Tag werden wir mit tausendenden von Eindrücken überschwemmt. Wir wollen ästhetisch und cool sein, um mehr Follower auf Instagram zu generieren. So wird die Kunst zwar online zu einem Massenprodukt, aber in der Realität zu einem Luxus für die Reichen, der in Galerien zum kurzen Anschauen eingesperrt ist. Menschen konsumieren die Kunst ohne sich mit der Materie auseinanderzusetzen.

Streetart im Wiederstand

Genau gegen diese gedankenlose Reproduktion geht das Projekt THE HAUS vor. In einer ehemaligen Bankfiliale am Zoologischen Garten haben sich 165 Künstler*innen zusammengeschlossen, um ihren eigenen „Temple of Style“ zu errichten. Auf fünf Stockwerken findet sich kostenlos nervenkitzelnde Kunst. Um die Besucher dazu zu bringen sich mit den unangenehmen Themen der Welt auseinander zu setzen, werden schwarze Schafe unserer Gesellschaft dargestellt: Der Klimawandel, Drogenmissbrauch und Waffenhandel.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt von einem seit 27 Jahren aktiven Veteranen der Streetsartszene: dem Dixon Ehepaar, welches ebenfalls Teile des Hauses mitgestaltet hat. Zusammen mit dem Immobilienbesitzer Pandion kam ihnen die Idee, die vergänglichste Galerie Deutschlands zu starten – und genau diese Vergänglichkeit ist der springende Punkt. Im HAUS baut alles auf Eindrücke auf, damit das Erlebnis Kunst echt bleibt. Weder Handys noch Kameras sind erlaubt. Alles was man braucht sind die eigenen Augen, Visitenkarten der Künstler und drei Bilder aus einer Foto-Box. Aber das Thema der Kurzlebigkeit geht noch weiter. Denn Ende Mai wird das Gebäude abgerissen, um ironischer Weise einer Designer-Immobilie zu weichen. Damit wird die Kunst von 163 Künstler*innen zerstört.

„Nichts muss, alles kann.“

Man könnte meinen, den Erschaffer*innen der Galerie würde dies schwerfallen, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Künstler*innen freuen sich auf die Demolierung. Ria Wank, aus dem zweiten Stock, hofft sogar, dass sie als erstes den Vorschlaghammer gegen ihren Raum schwingen darf. Für sie war dieses Projekt eine Möglichkeit sich auszutoben ohne auf die konforme Ästhetik unserer modernen Gesellschaft Rücksicht zu nehmen. Aber die Galerie ist nicht nur Spaß für die Künstler, sondern auch eine Möglichkeit den Wert der so oft belächelten Streetart zu beweisen und sich in ihrer Welt zu etablieren. Der aus Frankreich stammende Kunststudent Mika alias Yat ist einer der jüngsten Künstler des Projektes. Mit über tausend Wiederholungen des Tupac Zitats „Real eyes realise real lies“ zeigt er wie Streetart mit ihrer Umgebung spielt und macht die Toiletten im Fünften Stock zu einem Manifest der Kaligraphie.

Das Warten in der Schlange ist mehr als lohnenswert denn ohne Zweifel ist THE HAUS einer der außergewöhnlichsten Galerien Europas. Auf Grund der atemberaubenden Vielfalt an Kunststilen und Themen ist es ein absolutes Highlight, das man erleben sollte bevor die Streetart im HAUS wieder verschwindet.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.