Jede Sitzung ein Referat – und selbst das interessanteste Seminarthema kann nicht verhindern, dass man Woche für Woche zu Tode gelangweilt wird. Eine Unverschämtheit, findet Theo Wilde.
Studentische Referate könnten so schön sein. Mit ihnen weisen Studierende die aktive Teilnahme nach, die Dozierenden haben nicht ganz so viel Arbeit mit der Vorbereitung der Sitzungen und theoretisch lernen die Teilnehmenden dadurch auch noch etwas. Doch, wenn Seminare nur noch aus einer Aneinanderreihung von Studierendenreferaten bestehen, hält sich der Lerneffekt in sehr überschaubaren Grenzen.
Denn was sich dort ungestraft Nachweis über die aktive Teilnahme schimpfen darf, ist in der Regel eine absolute Unverschämtheit gegenüber den Zuhörenden. Das beginnt häufig schon vor dem eigentlichen Vortrag. In einem Seminar am OSI fragte beispielsweise kürzlich eine Studentin den Professor mit ehrlicher Verwunderung, ob er denn keinen Laptop dabei habe, den sie nutzen könne, um die PowerPoint-Präsentation zu starten. Als sich nach einigen Minuten endlich ein Kommilitone mit Laptop erbarmt hatte und der Beamer ein unscharfes Bild an die Wand funzelte, wurde das Publikum mit Folien voller Rechtschreibfehler, die aussahen wie eng beschriebene Buchseiten, malträtiert. Grafisch unterstützt wurde die Misere durch viel zu kleine, unleserliche Diagramme.
Keine bösen Absichten hinter den desaströsen Vorstellungen
Aber nicht nur die Visualisierung ist bei den meisten Referaten komplett inakzeptabel, auch die Zeitbeschränkungen werden nahezu ausnahmslos ignoriert, was selbst dann schon nervig wäre, wenn die Zeit wenigstens sinnvoll mit einem anregenden Vortrag genutzt werden würde. Allerdings sind Referate vielfach nur deswegen so lang, weil die Beteiligten aus irgendeinem Grund der Meinung sind, dass prinzipiell alle Mitglieder der Gruppe einen Part vortragen müssen – unabhängig davon, ob das Thema das überhaupt hergibt.
Fairerweise muss man festhalten, dass in den seltensten Fällen böse Absichten der Grund für die desaströsen Darbietungen sind. In der Regel bekommen Studierende Präsentationstechniken nämlich – wenn überhaupt – nur relativ halbherzig im ersten Semester vermittelt und es hat schlichtweg keine Konsequenzen für sie, wenn sie ein grottiges Referat halten. Sicherlich wäre es der falsche Ansatz, wenn alle Vorträge benotet würden, aber zumindest eine kritische Nachbesprechung mit den Dozierenden sollte drin sein, um gegebenenfalls ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.
Präsentationskompetenzen brauchen einen höheren Stellenwert
Doch leider bleiben solche Maßnahmen in der Praxis häufig aus, schließlich gebieten nur die wenigsten Dozierenden dem miesen Treiben Einhalt, sobald die zuvor vereinbarte Zeit abgelaufen ist. Stattdessen lassen die meisten den stockend vom Beamerbild abgelesenen, nicht enden wollenden Monologen bis zum Schluss der Sitzung ihren freien Lauf. Dass danach keine Zeit mehr für eine angemessene Nachbesprechung bleibt, versteht sich von selbst.
Hier ist das Lehrpersonal in der Pflicht, die Regeln, die es ja eigentlich bereits gibt, konsequenter zu kommunizieren und durchzusetzen. Außerdem sollte das Thema von vornherein nicht so lieblos behandelt werden und der Vermittlung von Präsentationskompetenzen mehr Stellenwert beigemessen werden. Schließlich machen Referate einen wichtigen Teil der Seminare aus, sodass nicht nur die Anwesenden unter einem schlechten Vortrag leiden, sondern auch die Lehre selbst.