Er war eingeladen, um über sein Buch zu reden. Aber dann hielt Bernie Sanders eine Rede, die bemüht war, verlorenes Vertrauen in die amerikanische Politik wiederherzustellen. Von Lucian Bumeder.
[slideshow_deploy id=’28609′]
Nachdem er den Berliner Verkehr mit einer halben Stunde Verspätung bezwungen hatte, ließ Bernie Sanders die Menge nicht länger warten. „What the hell is going on in the US?“, war der erste Punkt, den der ehemalige Rivale von Hillary Clinton seinem überwiegend studentischen Publikum am Mittwochabend erklären wollte. Die eigentlich geplante Vorstellung seines Buches Unsere Revolution. Wir brauchen eine gerechte Gesellschaft geriet im Audimax des Henry-Ford-Baus der FU schnell in den Hintergrund.
Ein aufs andere Mal betonte Sanders: Präsident Donald Trump stehe nicht für die USA, im Gegenteil. „Right now, millions and millions of wonderful people fight for justice.“ Egal, was Trump sage oder tue, die Menschen in Deutschland könnten sich darauf verlassen, dass die breite Mehrheit der Amerikaner – auch im Kongress – die enge Beziehung zwischen den USA und Europa unterstütze.
To the people of Germany and elsewhere in the world: Please don’t think that President Trump represents American values, he doesn’t. pic.twitter.com/g54PzLuMHV
— Bernie Sanders (@SenSanders) 1. Juni 2017
Doch Trump ist nunmal gewählter Präsident. Sanders erklärte das in gewohnter Rhetorik so, dass es in den USA einen großen Bevölkerungsteil gebe, der von der Globalisierung zurückgelassen worden sei. Diese Menschen hätten nie die nötige Weiterbildung erfahren, um hochqualifizierte Arbeit zu verrichten.Menschen, die keine Hoffnung mehr sehen, weder für sich, noch für die Zukunft: Ihre Kinder hätten eine geringere Lebenserwartung als sie, so Sanders. Und all das passiere im reichsten Land der Welt.
Donald Trump habe diese Menschen getäuscht, habe versprochen, dass er eine andere Art von Republikaner sei, als die, die ihnen jahrelang den Rücken zugewandt hatten. Für all die Jahre, als diese Menschen gefragt hatten: „Is there anybody listening to my pain?”, gab Sanders zu: “Washington didn’t listen. We didn’t listen!”
Probleme in der öffentlichen Debatte
Große Probleme sieht Bernie Sanders, der Senator aus Vermont, darin, dass die wirklich zentralen Fragen unserer Zeit nicht mehr im Zentrum der öffentlichen Debatte stehen. Medienkonzerne würden diese bewusst vermeiden, da sie keinen so guten Verkaufswert böten, sagte Sanders. Demagogen lenkten die Aufmerksamkeit nicht auf Probleme, sondern auf Minderheiten, um sie als Sündenböcke zu missbrauchen. „Don’t let the frontpages mislead you!“, warnte er sein Publikum.
Er, so erklärt Sanders den Zuspruch während seiner Kampagne, habe diese wichtigen, aber nicht diskutierten Fragen wieder auf den Tisch gebracht. Sein nächstes Ziel sei nun nicht die Präsidentschaft, sondern, die Demokratische Partei in den USA zu transformieren. Weg von der aktuellen „middle of the road party, that doesn’t stand up to big money.” Er habe eine junge Generation erlebt, „that has a hunger for big thinking.“ Und genau an dieses junge Publikum richtete sich – begleitet von Applaus – sein letzter Aufruf: „Don’t turn your back on issues! Have a vision of a different world! We can create an incredible one!”
Nicht nur “#feelthebern”-Stimmung im Audimax
Erwartungsgemäß fand Sanders im Publikum lautstarke Zustimmung. Weniger begeistert waren viele Anwesende von Moderator Christoph Amend, Chefredakteur des Zeit‑Magazins, der den US-Senator nach dessen Rede interviewte. Gerade nach Sanders’ Aufforderung, sich mit den wirklich wichtigen Themen zu befassen, zeigten sich einige Studierende enttäuscht, dass nur drei studentische, dafür aber viele flache Fragen gestellt wurden.
FU-Studentin Samiera brachte gegenüber FURIOS ihren Unmut über Amends Stil zum Ausdruck: „Komm, lass uns ein Selfie machen? Was haben Sie denn heute an? Frag ihn doch am besten noch nach seiner Lieblingsfarbe. Er ist immer noch ein Politiker! Dem kann man auch vernünftige Fragen stellen.“
Auch die FU-Initiative „Uni von Unten“, die sich im Rahmen der „Holm bleibt“-Bewegung formiert hatte, bekannte eine klare Meinung: Es sei schlicht ein verlogenes Spektakel, Sanders über einen politischen Umbruch von links sprechen zu lassen, habe das Präsidium doch erst vor gut einem Monat einen besetzten Hörsaal mit Hilfe der Polizei räumen lassen. Zeit für einen diesbezüglichen Austausch mit Sanders blieb nach der Veranstaltung jedoch nicht.
FURIOS hatte Sanders’ Rede live auf Twitter begleitet. Hier einige Highlights:
.@SenSanders: "Whatever #Trump believes, people of the #US will not turn their backs on this crisis" #ClimateChange #furioslive #fuberlin
— FURIOS Campusmagazin (@fucampus) May 31, 2017
.@SenSanders: "I must confess, unlike the president, I never tweet" #Trump #US #furioslive #fuberlin
— FURIOS Campusmagazin (@fucampus) May 31, 2017
"You can bring people together even if they don't agree on all issues", says @SenSanders @FU_Berlin #FuriosLive
— FURIOS Campusmagazin (@fucampus) May 31, 2017
.@SenSanders says @FU_Berlin: "Democracy is not a spectator sport, democracy is you!" #furioslive #resraum
— FURIOS Campusmagazin (@fucampus) May 31, 2017