Der Titel ist auszuklammern

In ihrer neuen Stückentwicklung beschäftigt sich das Theaterduo „Die Mondschweine“ mit Angst. Vic Schulte hat sich zur Premiere getraut.

Mondschweine

“Äääääh!” Die Mondschweine bei ihrer Seminardiskussion. Foto: Marcel Frank Fotografie

Raum oder Traum? Eine schwierige Entscheidung. Die Mondschweine lösen das Dilemma kurzerhand durch eine Klammer im Titel und nennen ihre aktuelle Inszenierung „Fall(t)raum“. Erwartet das Publikum nun ein „Fallraum mit traumartigen Sequenzen“, ein „Falltraum in raumähnlicher Umgebung“ oder ein „Raum mit Entfaltungspotenzial“?

Die „Mondschweine“, das sind Anita Brokmeier und Isabelle Schulz. Die beiden FU-Studentinnen haben 2014 einen eigenen Theaterabend entwickelt und dessen Titel anschließend für ihr Projekt übernommen. 2016 folgte die zweite Stückentwicklung „Sandglastreiben“, in der das Thema „Zeit“ behandelt wurde. In ihrer dritten Eigenproduktion setzen sich die Mondschweine jetzt mit der Angst auseinander. Sie bleiben dabei ihrem postdramatischen Stil treu und präsentieren eine Szenencollage, die sich an einer Rundumbetrachtung der Thematik versucht. Auf der Bühne werden sie von Steffen Aicheler und Anna Clart unterstützt.

„Willkommen im Center of Utophobia“

Das vierköpfige Ensemble nähert sich szenisch, musikalisch und choreographisch seinem Thema, indem es einen Blick in das „Kaleidoskop der Angst“ wirft. Dazu stellen die Mondschweine im „Center of Utophobia“ von Dr. Siri ein Best-Of der Phobien vor, hauchen einem grimmschen Märchen neuen Horror ein und äh, persiflieren sehr äh treffend eine äh, Seminardiskussion.

Es vermischt sich Albernes mit Ernstem, Komplexes mit Banalem und distanzierte Betrachtungen mit persönlichen Einblicken. Letzteres wird durch die Wahl der Kostüme verstärkt: In ihren hautfarbenen Morphsuits stehen die Darstellerinnen zunächst gewissermaßen nackt vor ihrem Publikum. Je nach Bedarf werden durch weitere Kostümteile pointierte Ergänzungen vorgenommen.

Interviewschnipsel und Live-Geräusche

Ergänzt werden die Szenen durch Audioschnipsel aus Interviews. Die deutschen und englischen Aussagen handeln von persönlichen Erfahrungen und Ängsten und unterlegen das Stück mit einer leicht zugänglichen Ebene. Auch die diffusen Ängste besorgter Bürger vor Überfremdung, einem herbeiphantasierten Bevölkerungsaustausch und der sehr bedrohlichen Politischen Korrektheit werden behandelt. Sachte stellen die Mondschweine die Absurdität dar und schaffen durch eine Gegenüberstellung mit den Ängsten Geflüchteter einen entlarvenden Kontext. Bei der Zurückweisung rassistischer Stereotypen wäre jedoch mehr Platz für Vehemenz oder satirische Überzeichnung gewesen.

Stellenweise setzen die Mondschweine wenig Vertrauen in ihr Publikum. So wird ein deutlich als solcher erkennbarer Dialog zwischen einer Mutter und ihrer Tochter durch die Beschriftung der Darstellerinnen verdeutlicht. An anderer Stelle zeigen sie sich gnadenlos: Mit ihrer Live-Geräuscherzeugung gehen sie bis an die Schmerzgrenze. Nach 80 kurzweiligen Minuten ist der Falltraum vorbei und der Fallraum wird verlassen. Der beängstigend unkreative Titel wird dem Stück nicht gerecht.

Die nächsten Aufführungen des Stücks finden am 17 und 18.6. im Theaterhaus Berlin statt. Weitere Informationen hier.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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