Im Schatten der Wissenschaftler

Musen oder Macherinnen? Unter diesem Titel zeigt eine Führung über den Campus, wie Frauen im Dahlem des frühen 20. Jahrhunderts für einen Platz in der Wissenschaft kämpften. Anna Hödebeck war dabei.

am Gedenkstein für Clara Immerwahr

Ein Stop der Tour war der Gedenkstein für Clara Immerwahr am Fritz-Haber-Institut, ihrer früheren Wirkungsstätte. Foto: Anna Hödebeck

Agnes von Zahn-Harnack, Clara Immerwahr und Lise Meitner haben eines gemeinsam: Sie kämpften im letzten Jahrhundert auf dem Forschungscampus Dahlem für ihr Recht auf eine wissenschaftliche Karriere und die Anerkennung ihrer Arbeit. Bei dem von der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) organisierten Rundgang „Musen oder Macherinnen?“ erfahren die Teilnehmer*innen von bedeutenden jedoch oft unbekannten Wissenschaftlerinnen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Dahlem lernten und arbeiteten. Die Tour beginnt am Harnack-Haus und führt zu verschiedenen Instituten der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die heute zur FU oder der MPG gehören.

Zuhören aus dem Nebenzimmer

Die Geschichten einiger Frauen bleiben besonders im Kopf. Angefangen mit Agnes von Zahn-Harnack, die 1908 als erste Frau offiziell an einer Berliner Universität eingeschrieben war. Zuvor war dies Frauen durch unerfüllbare Zugangsbedingungen, wie etwa den abgeleisteten Militärdienst, unmöglich gemacht worden. Sie konnten lediglich Gasthörerinnen sein. Das bedeutete, dass sie – getrennt von den Männern – bei angelehnter Tür aus dem Nebenraum mithören durften, um dann auf privatem Wege ihren Abschluss zu machen. Bei den Wissenschaftlerinnen handelte es sich stets um die Töchter wohlhabender Familien; Frauen aus ärmeren Verhältnissen hatten gar keine Möglichkeit, eine akademische Karriere zu verfolgen.

Lise Meitner hatte die Möglichkeit und nutzte sie. Die Österreicherin mit einem Doktortitel in Physik war in vielen Bereichen eine Pionierin und eine angesehene Wissenschaftlerin. 48 Mal wurde sie für den Nobelpreis vorgeschlagen. Gewonnen hat sie ihn aber nie. Zusammen mit Otto Hahn forschte sie im Bereich der Radiochemie. Als diesem bei Versuchen im Jahr 1938 das Uran zerplatzte, war sie diejenige, die aus dem Exil die Formel für die Kernspaltung lieferte.

Von Männern dominierte Wissenschaften

Auch von dem dramatischen Schicksal Clara Immerwahrs erfahren die Teilnehmer*innen bei der Tour. Sie war promovierte Chemikerin und verheiratet mit Fritz Haber. Bis zur Geburt ihres Sohnes forschte sie mit ihm zusammen. Als ihr Mann jedoch im ersten Weltkrieg zur Armee einberufen wurde und seine wissenschaftlichen Kenntnisse zur Herstellung von Giftgas nutzte, konnte sie dies nicht mit ihren Überzeugungen vereinbaren. Clara Immerwahr stellte ihn vor die Wahl: Sie oder der Krieg. Seine Entscheidung für den Krieg brachte sie dazu, sich 1915 das Leben zu nehmen – in Dahlem, nur ein Stück weit entfernt von unseren heutigen Unigebäuden.

Die Zuhörer*innen bekommen bei der Tour einen Einblick in die damalige Zeit: Erzielten Erfolgen standen große Hindernisse, vorurteilsbehaftete Reaktionen und viele Enttäuschungen gegenüber, da es Frauen in den von Männern dominierten Wissenschaften stets schwer gemacht wurde. Trotzdem fanden viele Frauen ihren Weg und standen den Männern – entgegen deren Überzeugung – fachlich in nichts nach.

Die nächsten Touren finden am 1.7., 5.8. und 2.9.2017 statt. Informationen unter: http://www.harnackhaus-berlin.mpg.de/4344630/thementour-2017

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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