Auf die Barrikaden!

Häufig wird behauptet, Studierende seien nicht mehr politisch. Gleichzeitig wird es ihnen schwer gemacht, Protest auszudrücken. Ein Essay von Alexandra Brzozowski über die Lösung eines Dilemma.

Foto: Marius Mestermann

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Es herrscht Untergangsstimmung: Weit verbreitet ist die Ansicht, dass unsere Generation sich nicht mehr für politische Themen interessiere, gar eine apolitische sei. Das Internet und die Zeitungen sind voll von Kommentaren, die monieren, dass heutige Studierende dem Erbe der 68er nicht einmal in Ansätzen gerecht werden.

Doch ist dieser Vorwurf gerechtfertigt – sitzen die Studierenden von heute wirklich lieber vor Netflix als auf der Straße für die gute Sache zu kämpfen? Keineswegs! Denn nach Jahren der Apathie und des ignoranten Egalismus, erleben wir als Reaktion auf die aktuelle politische Schieflage eine Renaissance der Protestbewegungen. Weltweit entbrannte studentischer Protest: in den USA wurde an zahlreichen Unis gegen Trump mobilisiert, in Großbritannien rebellierten Studierende gegen den Brexit und in Deutschland wird sich der AfD von studentischer Seite entschlossen entgegengestellt. Gleichzeitig müssen die protestierenden Studierenden jedoch anhören, ihr Protest sei demokratiefeindlich, versuche er doch, bestimmte Stimmen aus dem Diskurs auszuschließen.

Wo bleibt diese geballte Protestkraft, wenn es nicht um Weltpolitik, sondern um eine Nummer kleiner gehen soll? Denn an den Unis scheint sich derzeit eher Protestfaulheit einzuschleichen. Sicher, es gibt sinnvolle Vorstöße in der Hochschulpolitik. Im Mai kam es nach zähen Tarifverhandlungen für eine bessere Bezahlung studentischer Beschäftigter in Berlin zu lautstarkem Protest. Trotzdem kamen nur ein Dutzend Studierende zusammen, obwohl dieses Thema alle studentischen Beschäftigten betrifft und alle von einer Verbesserung profitieren würden. Auch die Zulassungsbeschränkungen, die es in manchen Studiengängen noch für die Seminare gibt, verursachen jedes Semester Unmut. Die FU ist von den Aktionen meist wenig beeindruckt. Zwanzig von 34.000 sind nun einmal kein Druckmittel.

Häufig sind es also nur versprengte Grüppchen, die gerechtere Universitätsstrukturen fordern, während die Masse schweigt. So verläuft der Protest im Sande. Gerade hier in Berlin, damals der Motor der Proteste, hier an der FU, wo Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg studierten, sollte das Erbe der 68-er Bewegung eine Art Auftrag sein. Doch anstatt diese Bemühungen zu unterstützen und mitzugestalten, kritisieren andere Studierende und die Uni viel lieber Art und Weise des Protestes.

Es gibt eine Typologie des Protests, die man an Unis beobachten kann. Doch vor allem an der FU verkehren sich die Gegensätze oft ins Groteske: Da sind zum einen die apathischen Vor-sich-hin-Studierenden, die ohnehin nicht wirklich am Unileben teilnehmen wollen, Hauptsache durchkommen. Die hippen Protestler, die schnell mit einem Starbucks-Kaffee unterm Arm ein bisschen mitlaufen, ein Selfie machen, noch schnell eine Online-Petition unterzeichnen und dann wieder in ihre Welt abtauchen. Die ewigen Protestler, die in 68er-Nostalgie schwelgen, ihre Forderungen aber überziehen und in einem Rundumschlag die ganze Welt auf einmal retten wollen – und potenzielle Mithelfende vergraulen. Und dann sind da noch die wirklich Engagierten, die etwas verändern wollen, aber denen Univerantwortliche im Weg stehen oder denen der Rückhalt in der Studierendenschaft fehlt.

Natürlich liegt mangelnder Protest nicht nur an den Menschen, sondern auch am zu starren Unisystem, das auf Erfolg und Karriere fixiert ist. Denn dass die Studierenden restlos zufrieden sind mit ihrer Uniumgebung ist angesichts von Zulassungsbeschränkungen, langsamer Bürokratie und Anrechnungsproblemen im Prüfungsbüro unwahrscheinlich. Natürlich ist eine Universität in erster Linie eine Ausbildungsstätte. Doch bei universitärer Bildung sollte es nicht nur das Ziel sein, so viel Wissen wie möglich in die Köpfe zu schaufeln. Verantwortung und Engagement für die Gesellschaft sind mindestens genauso wichtig.

Politisch zu handeln ist vor allem dann wichtig, wenn keiner hinschaut, klatscht oder einem auf die Schulter klopft. Es ist dann wichtig, wenn es auch im Unialltag gelebt wird. Auch an unseren Unis gibt es Missstände, gegen die angegangen werden muss. Und dafür lohnt es sich, trotz aller Kritik, auf die Barrikaden zu gehen. Also worauf wartet ihr noch? Eine offizielle Einladung gibt es nicht.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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