FURIOS verguckt sich: Prag bei Nacht

Die erste Reise in eine fremde Stadt kann einem Urlaubsflirt manchmal recht ähnlich sein. Das hat auch Leon Holly festgestellt, als er sich ins nächtliche Prag verguckt hat.

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Blick auf die Karlsbrücke und den Veitsdom im Hintergrund (© Martin Jäger / pixelio.de)

In Prag verguckt man sich am besten zu Fuß. Über den Wenzelsplatz, durch die wunderbar erhaltene Altstadt mit ihren Häusern und Kirchen, die teilweise noch aus dem 14. Jahrhundert stammen, weiter über die belebte Karlsbrücke, entlang der Promenaden oder die Treppen hinab ans Ufer der Moldau. Sie wälzt sich als Ruhepol am tiefsten Punkt der Stadt majestätisch durch ein breites Flussbett. Hier kommt man auf einer der grün bewachsenen Inselbänke ein wenig zur Ruhe und kann die geschichtsträchtige Metropole aus einiger Entfernung, weit ab von der Hektik der Innenstadt mit ihren monumentalen Kathedralen und Kirchtürmen, auf sich wirken lassen.

Lichtermeer nach Sonnenuntergang

Flussabwärts werden die Stadtteile in regelmäßigen Abständen durch Brücken verbunden, die von geschäftigen Passanten überquert und von Schiffen und kleinen Booten unterfahren werden. Auf westlicher Seite des Flusses verliert sich die Stadt entlang der bewachsenen Hügel in die Vorstädte, bis der schweifende Blick auf die Prager Burg trifft. Mit ihrer weitläufigen Hofanlage und dem alles überragenden Veitsdom wacht sie beständig über die Stadt zu ihren Füßen.

Begleitet von länger werdenden Schatten und der untergehenden Sonne verlieren wir die Burg in den engen, ansteigenden Gassen zwischen Bars und Gasthäusern zunächst aus den Augen, bis sich die hohen Schlossgemäuer auf einmal vor uns auftun und zur anderen Seite den Blick über die Stadt freigeben. Vor dem dunkelblauen Himmel geht langsam der orangefarbene Mond auf, im Hintergrund spielt ein Musiker auf seiner Gitarre und singt auf tschechisch für ein paar verbliebene Touristen, die dem langsam erwachenden Prager Nachtleben noch ferngeblieben sind. Der Trubel in den Straßen nimmt seinen Lauf, doch von oben wirkt die Goldene Stadt unwirklich ruhig, während sie sich langsam in ein Lichtermeer verwandelt.

Auf ein Bier mit der Stadt

Nach dem Innehalten über den Dächern der Stadt nehmen wir den Fußmarsch wieder auf und finden uns abseits der belebten Kneipen in einem der zahlreichen Prager Spätis wieder, überrumpelt vom verlockenden Anblick der großen 2-Liter-Flaschen gefüllt mit tschechischem Bier. Im Prager Höhenrausch scheinen diese überdimensionierten Behältnisse trotz – oder gerade wegen ihrer Größe – zu inniger Zweisamkeit aufzufordern. Nach einem langen Tag und zum Beginn der noch kurzen Nacht erweist sich das Gebräu als wahrer Jungbrunnen für die trockenen und vom Tag erschöpften Kehlen. Während wir leicht angesäuselt über Kopfsteinpflaster, Parkwiesen und Moldaupromenade laufen, saugen wir die Stadt über die Nachtluft auf und werden uns unserer Zuneigung zu diesem Ort bewusst. Die nun deutlich leichtere Bierflasche fest mit beiden Armen umschlungen versprechen wir Prag, dass dies nicht unser letztes Treffen war – und auf den Abschied ein Wiedersehen folgen wird.

Autor*in

Leon Holly

On the write side of History. @LeonHolly_

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