FURIOS verachtet: Couchsurfer

Unterwegs durch Couchsurfing neue Leute kennenlernen und gleichzeitig die Reisekosten drücken? Eine Win-Win-Situation, dachte Björn Brinkmann, doch in der Praxis hatte diese Art des Reisens ein paar Haken.

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Couchsurfing klingt besser als es ist. Foto: flickr.com (Mark Turnauckas)

“Vielen Dank für Ihre Buchung bei Ryanair!” – der Flug ist gebucht, die Reiseroute geplant. Für viele Reisende stellt sich als Nächstes die Frage nach der Unterkunft. Schon wieder ein Hostel? Die sind meist dreckig, voll und unpersönlich. Gibt es denn keine andere Möglichkeit?

Vielversprechende Alternative

Mehr als zehn Millionen Reisende haben sich bereits von der Hostelhüpferei befreit: seit 2003 bieten Menschen aus aller Welt über Couchsurfing.org die eigenen vier Wände als kostenlose Unterkunft an. Motiviert durch die Idee, per Mausklick Locals zu finden, legte ich mir ein Profil an und tippte meine Reisedaten ein. Die zahlreichen barceloneser Couchsurfer*innen beschrieben sich allesamt als “open-minded” oder “abenteuerlustig” und schwärmten von der Lust neue Kulturen und Sprachen kennenzulernen. Schnell fand ich ansprechende Profile, die ich mit der Bitte um Obdach anschrieb.

“Nicht verifizierte” Frustration

Sogleich lernte ich allerdings mehrere wichtige Lektionen. Erstens, die Website lässt bei “nicht verifizierten” Usern – sprich solchen, die keine Gebühr zahlen wollen- lediglich zehn neue Kontaktaufnahmen pro Woche zu. Eine spürbare Einschränkung, denn zweitens lernte ich, dass ein Host nicht schnell gefunden ist. Rasch holten mich nicht kommentierte Absagen und unbeantwortete Nachrichten auf den Boden der Tatsachen zurück.

Gender Trouble

Bei einem genauen Blick auf die Auswahl potentieller Gastgeber*innen fiel auf, dass diese überwiegend männlich waren. Ich erklärte mir diesen Überhang durch größere Vorsicht weiblicher Nutzerinnen. Dann entdeckte ich die unscheinbare Angabe “Preferred Gender to Host”. Zwar hatten hier die meisten Gastgeber*innen “Any” angekreuzt, einige der überwiegend männlichen Profile gaben aber an, nur weibliche Reisende aufnehmen zu wollen. Wenn hier bereits Zweifel an der rein gastfreundlichen Einladung ins Eigenheim aufkamen, wurden diese durch den Blick in die Bewertungen der Gastgeber*innen gefüttert: auch beim Großteil der männlichen Hosts ohne Gender-Präferenz waren oft über 90% der bereits gehosteten Couchsurfer*innen weiblich. Im Gespräch mit Freund*innen und anderen Reisenden hörte ich dann immer wieder ähnliche Feststellungen. “Es ist traurig, aber viele scheinen Couchsurfing als eine Art Tinder zu nutzen”, sagte mir später eine weibliche Mitfahrgelegenheit, “man muss aufpassen”.

“Eine Art Tinder”

Selbstverständlich halten viele User*innen die ursprüngliche Idee des Netzwerkes hoch. Als Teil einer Community werden Reisende zuallererst als Individuen gesehen, die in unbekannten Gefilden ein Dach über dem Kopf suchen. Allerdings scheinen einige Couchsurfer*innen die dringenden Bedürfnisse der einen für ihre fragwürdigen Dating-Zwecke zu benutzen. Wie so oft liegt damit der Haken nicht in der Idee, sondern bei den Menschen, die auf ihr herum surfen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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