Gib dem Gras einen Namen!

Ihr wollt Wissenschaftsgeschichte schreiben, das Weltall ist aber zu weit weg? Dann werdet doch Herbonaut*innen. Bitte was? Carla Spangenberg hat es herausgefunden.

Foto Etikett

Das Etikett eines Herbarbelegs. Foto: Herbar, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin.

Wer hat das als Kind nicht gemacht: Voller Faszination auf Expeditionen in Wald und Wiesen unzählige Pflanzen und Blätter gesammelt. Zwischen den abgegriffenen Seiten von Grimms Märchen oder dem Lexikon der Eltern wurden sie getrocknet, gepresst und wie eine Trophäe auf ein Blatt Papier geklebt. Aber fast vier Millionen Pflanzen? Das schafft dann doch nur das Herbarium des Botanischen Gartens in Dahlem. Dessen Sammlung an Herbarbelegen, also konservierten Pflanzenteilen, wird mit der Hilfe ehrenamtlicher Herbonaut*innen digitalisiert. Herbo-was? Genau das haben wir uns auch gefragt – und mal genauer hingeschaut.

Rund 30 Interessierte hat der Schnupperworkshop im Blütensaal des Botanischen Museums angelockt. Während ein Teilnehmer sich vor allem für alte Schriften interessiert, bekundete eine andere ihr große Leidenschaft für Pflanzen aller Art: „Ich bin schon seit Jahren Mitglied im Kräuterklub.“ Vom Fraktur-Fan zur Kräuterliebhaberin, vom Sütterlin-Sympathisanten zur Pharmazeutin – die Beweggründe, hier dabei zu sein, sind vielseitig. Doch weder Schrift- noch Kräuterkunde sind Voraussetzungen für eine Mitarbeit.

Auf den Spuren Humboldts

Doch was genau tun Herbonaut*innen? Im Kern besteht die Aufgabe darin, Etikette auf Pflanzenbehältern zu entziffern. Fundorte, Daten und die Namen der Pflanzensammler*innen werden in ein Webportal eingespeist. Darunter sind Pflanzen aus Indien, Australien oder der Uckermark, aus dem 18. Jahrhundert und zuweilen sogar Funde berühmter Sammler*innen wie Alexander von Humboldt, Adelbert von Chamisso und James Cook. Die größte Herausforderung: alte, kaum lesbare Schriften und kuriose Ortsnamen.

Weltweit gibt es zwischen 300 und 500 Millionen Herbarbelege – mit knapp vier Millionen Exemplaren ist der Botanische Garten also gut dabei. Durch die Digitalisierung werden Forschungsinstitutionen für Projekte zur Biodiversität und Artenentwicklung in aller Welt vernetzt, doch auch die gemeine, pflanzeninteressierte Öffentlichkeit bekommt Zugang zu diesem Schatz an Pflanzenbelegen.

Mit Spiel und Spaß durchs Kräuterbeet

Die virtuellen Missionen sind ansprechend gestaltet: Je erfahrener man ist, desto anspruchsvollere Aufgaben darf man erledigen und erhält somit auf den verschiedenen Levels kleine Auszeichnungen. Schon nach dem ersten Beitrag darf man sich „Sherlock“ nennen und Punkte für ein Herbonaut*innen-Ranking erwerben. “Ab welchem Level gibt es denn einen Schnaps?”, fragt ein Workshopteilnehmer und lässt durchscheinen, dass das Belohnungssystem noch ausgebaut werden könnte.

Der Anführer des Online-Rankings hat schon über 38.000 Beiträge geliefert und das in nur zwei Monaten. Nach Ruhm und Ehre streben die fleißigen Helfer*innen aber eigentlich nicht. Die meisten bleiben sogar anonym und verstecken sich hinter Pseudonymen wie Herr Blume. Ein bisschen erinnert das Konzept an Wikipedia, das vor allem durch motivierte Freiwillige gespeist und gepflegt wird. Herbonaut*in werden, ist aber durchaus lohnenswert, denn wie für Astronaut*innen gilt auch hier: „Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Wissenschaft.“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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