Was wollen wir erzählen?

Spielerisch fängt Mathias Neuber mit der Entwicklung eines neuen Theaterstückes an. Sofie Eifertinger hat sein düsteres Bühnenwerk Trip to Trappist One” von der Idee bis zur Premiere verfolgt.

Gefangen in der Todeszelle: Potami (Ekaterina Chapandze, links) und Cloon (Bente Jacobsen)

„Die Hoffnung ist immer, dass man etwas trifft, was die Leute angeht. Da entsteht dann etwas zwischen Publikum und Bühne.” Mathias Neuber sitzt vor seinen Unterlagen im Foyer des Theaterhaus Mitte, dem „Wohnzimmer” der freien Berliner Theaterszene. Gleich geht die nächste Probe los. Seitdem Neuber vor sieben Jahren aus Cottbus nach Berlin gezogen ist, leitet der Schauspieler, Autor und Regisseur Theaterkurse, die über den Hochschulsport der FU angeboten werden. In den wöchentlichen Kursen gibt er interessierten Studierenden eine Einführung in die Schauspielerei, arbeitet an Körper und Stimme und probiert nebenbei Ideen für seine Stücke aus.

Vom Dossier zum Bühnenwerk

Parallel dazu ist er Teil von „Intergogue”, einem Theaterkollektiv der freien Szene. Unter den fünf Darsteller*innen des aktuellen Stücks, „Trip to Trappist One”, haben zwei über den Hochschulsport zu ihm gefunden. Die Idee für das Bühnenwerk hat Neuber, als er in der „Zeit” auf ein Dossier über zwei amerikanische Journalisten stößt, die in Syrien gemeinsam gefangen gehalten wurden. Der eine schüchtern und intellektuell, der andere vorlaut und rau. Die Beiden nahmen nicht nur die tägliche Folter als Qual wahr – sondern auch einander. Die Spannungen der gegensätzlichen Persönlichkeiten in ihrer Todeszelle faszinieren Neuber. Im Rahmen der Hochschulkurse lässt er deshalb verschiedene Theaterschüler*innen die Rollen der Journalisten ausprobieren.

Flucht durch Fantasie

Nachdem der Kurs gezeigt hat, dass der Konflikt die Studierenden interessiert, stellt der Regisseur seinen Kolleg*innen von „Intergogue” eine mögliche Umsetzung als Stück vor. Zunächst schreibt er drei Szenen und weiß in etwa, wie die Geschichte weitergehen soll. Manche Situationen übernimmt er aus dem Artikel. Er fügt aber auch neue Erzählstränge hinzu, verändert die Namen der Protagonisten. So findet der introvertierte Potami (Ekaterina Chapandze) nun aus der Ohnmacht der Gefangenschaft immer wieder Zuflucht in einem imaginären Raumschiff, an dessen Steuer der ruppige Cloon (Bente Jacobsen) steht. Es ist auf dem Weg zu einem Planeten namens Trappist One. Hinzu kommt außerdem ein zum Tode verurteilter Marokkaner (Moritz Reichardt), der das Zerwürfnis der beiden Journalisten weiter verstärkt.

Mitteilen ist Pflicht

Während der Proben schreibt Neuber weiter, passt die Geschichte an das an, was in der Gruppe besprochen und ausprobiert wird. Dabei kristallisiert sich die Kernaussage des Stückes heraus: Ein Mensch kann sein Leben nicht nur leben, sondern er muss es mitteilen können. „Eigentlich eine banale Tatsache”, bemerkt Neuber, „aber erst dann ist das, was ich erlebe, wirklich Leben.” Weil sich die anfängliche Hoffnung der Gefangenen, ihre Ängste und Erfahrungen mit den Mitinsassen teilen zu können, als unerfüllbar erweist, wollen sie ihre Gedanken immer wieder – fast krampfhaft – an das Publikum loswerden. Die Protagonisten werden dadurch in ihrer Einsamkeit nahbar. Ausdrucksstarke Sounds unterstreichen die Performances und legen die kalten Fesseln der Gefangenschaft um die Zuschauer*innen. Eine düstere Welt aus Schmerz und Wahnsinn entsteht – und Neubers Hoffnung auf einen gemeinsamen Moment von Bühne und Publikum erfüllt sich.

Am Freitag, den 16. Februar um 20 Uhr findet die nächste Vorstellung von „Trip to Trappist One” statt. Außerdem findet am Samstag, den 3. Februar um 20 Uhr die Premiere von „Wir bleiben nicht, was wir sind” statt, welche auch von „Intergogue” erarbeitet wurde. Weitere Infos gibt es hier.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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