“Es geht letztlich um Mitbestimmung.”

Diese Woche entscheidet sich die Präsidentschaftswahl an der FU. Felix Lorber und Victor Osterloh haben mit der Kandidatin Tanja Brühl über den Blick von außen und die Konflikte an der FU gesprochen.

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Tanja Brühl wäre die erste externe FU-Präsidentin. Foto: Victor Osterloh.

Am Mittwoch, den 2. Mai, wählt der erweiterte Akademische Senat ein neues Präsidium. Als Kandidat*innen treten Tanja Brühl, Friedens- und Konfliktforscherin sowie Vizepräsidentin an der Goethe-Univerisität Frankfurt und Günter M. Ziegler, Mathematiker und Mitglied der größten Professor*innenliste “Vereinte Mitte”, an. Der amtierende FU-Präsident Peter-André Alt wechselt im August zur Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und tritt somit bei der kommenden Präsidiumswahl nicht noch einmal an.

FURIOS: Frau Brühl, in der Geschichte der FU Berlin gab es noch nie eine auswärtige Präsidentin. Warum tun Sie sich diesen Wahlkampf überhaupt an?

Brühl: (lacht) Mir geht es nicht um einen Wahlkampf, in dem ich Wahlversprechen abgebe. Mir geht es darum, sich kennenzulernen und zu schauen, ob man zusammenpasst. Das heißt zu sehen, welche Ziele die FU Berlin verfolgt und inwiefern ich dazu beitragen kann, diese auch wirklich zu erreichen.

Ich habe in den letzten fünfeinhalb Jahren als Vizepräsidentin der Goethe-Universität Frankfurt gemerkt, dass es mir neben meiner Tätigkeit als Professorin auch Freude macht, Verantwortung für eine Universität zu übernehmen und dafür sinnvolle Prozesse zu gestalten. Ich habe also Erfahrungen damit, ich weiß, wie das geht.

FURIOS: In der Presse wurde seit Bekanntwerden des Ausscheidens des noch amtierenden FU-Präsidenten Peter-André Alt ihr Gegenkandidat Günter M. Ziegler als haushoher Favorit gehandelt. Ist die Wahl schon entschieden?

Brühl: Ach, eine Demokratie ist eine Demokratie. Vorher zu sagen, eine Wahl ist entschieden, ist generell nicht meine Herangehensweise. Ich weiß, dass die Chancen von Herrn Ziegler sehr gut sind und weiß, er ist ein exzellenter Kollege. Letztlich geht es darum, dass sich die Mitglieder der FU entscheiden, welches Profil von Leitung sie haben möchten.

Vielleicht ist es ja ein Vorteil, den ich als Außenstehende habe, dass ich mir hier alles anschaue und hinterfrage, warum etwas so ist. Wenn man sehr lange an einer Universität oder in einer Region ist, gilt vieles als selbstverständlich.

FURIOS: Wie sehen Sie denn die Rolle der Präsidentin an der FU?

Brühl: Nach dem Gesetz ist das Präsidium zumeist die Entscheidungsstelle. Ich sehe mich dabei als Gestalterin. Die Frage ist doch, wie man zu einer Entscheidung kommt. Aus meiner Frankfurter Erfahrung habe ich gelernt, dass es sehr wertvoll ist mit den Fachbereichen und mit den Statusgruppen zu sprechen – zu erfragen oder zu erklären, warum bestimmte Entscheidungen so getroffen worden sind.

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“Mitbestimmung kostet viel Zeit, aber das ist mein Job.” Foto: Felix Lorber.

FURIOS: Die FU gilt als Musteruniversität, Exzellenzanträge waren unter Alt stets erfolgreich, in Forschungsprojekten ist man deutschlandweit weit vorne dabei. Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?

Brühl: Ich schätze die Arbeit Peter-André Alts sehr hoch und möchte mich auch nicht als Außenstehende in Dinge aus der Vergangenheit einmischen. Etwas überrascht war ich jedoch von der Rolle des Akademischen Senats (AS) an der FU …

FURIOS: Kritiker*innen des bisherigen Präsidiums bemängeln, dass Entscheidungen im AS nur noch verkauft, nicht mehr wirklich inhaltlich behandelt wurden.

Brühl: Für mich ist der AS ein zentraler Diskursort. Ich finde, Prozesse können offen gestaltet werden, auch an großen Universitäten. Die Teilgrundordnung der FU weist dem AS eine wichtige Rolle zu. Es geht darum, wie diese gelebt wird. Möglicherweise muss man keine Formalien ändern, um den AS aufzuwerten. Es geht um Teilhabe am Diskurs, letztlich um Mitbestimmung.

FURIOS: Wie könnte die aussehen?

Brühl: Ich habe in Frankfurt in vielen Bereichen Arbeitsgruppen gebildet. Diese finde ich speziell zur Vorbereitung von Entscheidungen wichtig. Wir haben dazu Mitglieder aus allen Statusgruppen und den großen Bereichen der Geistes-, Sozial-, und Naturwissenschaften zusammengeholt, die auch möglichst gegensätzliche Meinungen abbilden können. Sich dort auszutauschen und gemeinsame Lösungen zu suchen ist ein Prozess. Natürlich geht das nicht ohne Konflikte vonstatten. Das kostet Zeit und Kraft auf allen Seiten, aber ich würde sagen, in Frankfurt hat das funktioniert und diesen Stil könnte ich hier auch anbieten.

FURIOS: In den letzten Jahren gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Präsidium und Teilen der Studierendenschaft. Die Fronten scheinen verhärtet, nicht zuletzt durch wiederholte Polizeipräsenz auf dem Campus. Sie sind selbst Friedens- und Konfliktforscherin, können Sie für einen Neuanfang stehen?

Brühl: Also erst einmal ist ein Konflikt für mich gar nichts Schlimmes. Es ist einfach eine Positionsdifferenz. Es kommt darauf an, wie man einen Konflikt austrägt. In Frankfurt stehe ich dafür, dass wir Konflikte, die es zuhauf gab und gibt, diskutiert haben. Manchmal ergeben sich dann Kompromisszonen, in denen man sich trifft. Diese müssen aber langsam erarbeitet werden, sie liegen nicht auf der Straße, sonst gäbe es ja keine Auseinandersetzung.

FURIOS: Ist das wirklich immer möglich?

Brühl: Natürlich gibt es manchmal Differenzen, die sich nicht auflösen lassen. Dann müssen in einem hierarchischen Verhältnis auch Dinge durchgesetzt werden. Da muss man dann klar und transparent benennen, wie und wieso das der Fall ist. Beim Einsatz von Gewalt muss ich klar sagen, dass dies eine Grenze ist, bei der ich auch die Polizei rufen würde. Aber zunächst gehe ich davon aus, dass eine Universität ein Ort ist, an dem man mittels Argumenten in Kontakt ist. Alle vorhandenen Kommunikationskanäle müssen ausgeschöpft werden, auch und vor allem mit den Studierenden. Das kostet viel Zeit, aber das ist mein Job.

FURIOS: Zum Abschluss: Wer sollte Sie im erweiterten AS wählen?

Brühl: Mich sollten all jene Mitglieder des erweiterten AS wählen, die den Eindruck haben, dass ich die FU gemeinsam mit den Mitgliedern der Universität gut in die Zukunft führen kann … Punkt (lacht).

Das Gespräch mit Gegenkandidat Günter M. Ziegler erschien am 29.04. bei FURIOS.

Autor*innen

Felix Lorber

schrieb, schreibt und wird geschrieben haben - für FURIOS und andere. Vorwiegend online, mal über Politik, mal über Musik.

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