Neues Präsidium: Eine ausgemachte Sache?

Heute wählt sich die FU Berlin neues Spitzenpersonal für ihr Präsidium. Unser Erklärstück zur Wahl mit einer Einordnung der Kandidat*innen von Felix Lorber.

+++Am Mittwoch wählen 61 Vertreter*innen der Statusgruppen an der FU den*die neue*n Präsident*in, wobei die Professor*innen eine Stimme mehr haben.
+++Das neue Präsidium entscheidet über die strategische Ausrichtung der Freien Universität.
+++Als Kandidat*innen treten FU-Mathematiker Günter M. Ziegler und die Vizepräsidentin der Uni Frankfurt Tanja Brühl an. Ziegler gilt dabei als der aussichtsreichere Bewerber.

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Ort der Entscheidung: Im Henry-Ford-Bau wird heute ab 14 Uhr gewählt. Foto: Bernd Wannenmacher, bearbeitet

Einunddreißig Professor*innen, zehn Studierende, zehn wissenschaftliche Mitarbeiter*innen (WiMis), zehn sogenannte sonstige Mitarbeiter*innen (SoMis) – diese einundsechzig Personen entscheiden am heutigen Mittwochnachmittag über die nahe Zukunft der FU Berlin. Pathetisch könnte man das so ausdrücken. Etwas nüchterner betrachtet, wählen sie nur den oder die neue*n Präsident*in der Universität. Außerdem wird auch dessen erste Vertretung, der*die erste*n Vizepräsident*in, neu bestimmt. Doch haben sie wirklich eine Wahl? FURIOS blickt auf den ersten Wahlgang und ordnet die Kandidat*innen ein.

Das Amt

Der*die Präsident*in steht dem Präsidium vor, welches die FU Berlin leitet. Unter anderem verantwortet dieses die Haushaltsplanung, richtet Studiengänge ein und überwacht die strategische Ausrichtung der Universität. Dem*der Präsident*in kommt dabei nach dem Berliner Hochschulgesetz und der Teilgrundordnung der FU die Führungsrolle, auch Richtlinienkompetenz genannt, zu. Des Weiteren bilden der*die erste Vizepräsident*in (VP1) als Vertretung des*der Präsident*in sowie drei weitere Vizepräsident*innen mit jeweils eigenen Geschäftsbereichen (VP2, VP3, VP4) und die Kanzlerin das Präsidium der FU.

Die Wahl

Der*die Präsident*in der FU wird vom erweiterten akademischen Senat (eAS) für vier Jahre gewählt. Der eAS wird allein für die Wahl des*der neuen Präsident*in sowie zur Rechenschaftsabnahme des alten Präsidiums gebildet, wobei der reguläre akademische Senat (AS), dem ansonsten 31 Mitglieder angehören, um 30 Personen auf die bereits erwähnten 61 erweitert wird. Die Gruppe der Professor*innen hält dabei aufgrund der Forschungs- und Lehrhoheit stets eine Mehrheit von einer Stimme gegenüber den drei anderen Statusgruppen. Die Wahl erfolgt in geheimer Abstimmung. Gewählt ist im ersten Wahlgang, wer mehr als die Hälfte der Stimmen (31) erhält. Sollte dies keinem*keiner der beiden Kandidat*innen gelingen, folgt am 9. Mai ein zweiter Wahlgang. Ein möglicher dritter Wahlgang am 16. Mai verlangt nur noch eine einfache Mehrheit. Mit gleichem Vorgehen wird heute auch der*die erste Vizepräsident*in gewählt.

Der bisherige Präsident Peter-André Alt, der die FU von 2010 bis 2018 in zwei Amtszeiten leitete, scheidet aus freien Stücken aus dem Amt und übernimmt ab August die Leitung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), dem größten Zusammenschluss deutscher Hochschulen und Universitäten. Die erste Vizepräsidentin Monika Schäfer-Korting räumt ebenfalls ihren Platz.

Die Kandidat*innen

Die wohl größten Hoffnungen auf die Nachfolge des Präsidenten Alt dürfte sich sicherlich der FU-Mathematiker Günter M. Ziegler machen. Neben seiner berlinweiten und auch internationalen Popularität als Spitzenmathematiker kann er sich vermutlich auf ein Gros der Professor*innenschaft verlassen. Als Mitglied der im AS am stärksten vertretenen Professor*innenliste „Vereinte Mitte“ entstammt er der gleichen Fraktion wie Alt. Nicht ohne Grund wird Ziegler als der Kandidat der FU präsentiert – er ist der einzig nominierte interne Anwärter auf den Posten, kennt die zentralen Figuren in den Führungskreisen und hat darüber hinaus Netzwerkexpertise im Bereich der Forschung. Auch wird ihm ein guter Draht zum scheidenden Präsidium nachgesagt. Kein Zufall also, dass Tagesspiegel und Berliner Morgenpost bereits im Februar und März diesen Jahres Ziegler als designierten Präsidenten verkündeten.

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Eine sichere Sache? Günter M. Ziegler hat beste Chancen, der achte Präsident der Freien Universität zu werden. Foto: Victor Osterloh

Das Antrittsprogramm Zieglers liest sich wie ein „Weiter so“ zur Politik des alten Präsidiums. Ziegler will auf dem bisherigen Kurs aufbauen und diesen, wenn nötig weiterentwickeln. So liegt sein Fokus auf dem Exzellenzantrag im Berliner Verbund und dem Ausbau der Drittmitteleinwerbung. Weiterhin plant er, das Studierendenmarketing zu intensivieren, um für niedrig frequentierte Fachbereiche „die richtigen Studierenden“ an die FU zu bringen. Ziegler betont, dass er sich nicht scheue, die Rolle des AS als Debattenarena wieder aufzuwerten. Trotzdem verteidigt er die bisherige Politik Alts: „Es muss natürlich die Frage erlaubt sein: ‚Ist es richtig, von vorn bis hinten alles auszubreiten, wenn vom Tagesspiegel bis hin zu FURIOS alle im Saal sitzen und damit die ganze Republik weiß, was wir vorhaben?‘“ Für das Zuschütten offener Gräben zwischen Studierendenschaft und FU-Leitung nimmt Ziegler beide Seiten in die Verantwortung. Die Devise hieße nun auch, „die Kirche im Dorf zu lassen“ und verbal abzurüsten. Bei seinen hochschulpolitischen Vorstößen bleibt Ziegler insgesamt jedoch vage. Mehr als guten Willen bietet er in dieser Beziehung bisher nicht an.

Ziegler ist kommunikativ, nahbar, für viele an der FU sympathisch, weshalb auch seine Wahlchancen bei den anderen Statusgruppen nicht zu unterschätzen sind. Hinzu kommt seine Erfahrung im universitären und politischen Betrieb in Berlin. Als Kandidat der “Vereinten Mitte” ist er der klare Favorit für die Wahl am Mittwoch.

Außenseiterin - doch nicht chancenlos? Foto: Felix Lorber
Außenseiterin – doch nicht chancenlos? Tanja Brühl wäre die erste Präsidentin der FU. Foto: Felix Lorber

Noch nie in ihrer Geschichte hatte die FU eine weibliche Führungsrolle im Präsidium und noch nie gab es einen Präsidenten, der nicht der FU entstammt. Das könnte zum Problem für Zieglers einzige Gegenkandidatin Tanja Brühl werden. Die Politikwissenschaftlerin wagt als Vizepräsidentin der Goethe-Universität in Frankfurt a. M. den Sprung nach Berlin. Als auswärtige Kandidatin wurden ihre Chancen in der Presse sehr früh marginalisiert. Nach ihren Vorstellungen im AS und im Kuratorium der FU scheint sich dieser Eindruck jedoch ein wenig verflüchtigt zu haben. Es finden sich immer mehr Stimmen, die Brühl zumindest Außenseiterchancen einräumen. Gerade bei Fragen der Kommunikation und Mitbestimmung könnte sie punkten. In Gesprächen warb sie immer wieder für das ‘Frankfurter Modell’: An der Goethe-Universität bereiten Arbeitsgruppen, in denen alle Statusgruppen vertreten sind, zentrale Entscheidungen des Senats vor. Brühl hatte das Konzept damals mit erarbeitet. Diesen neuen “Stil” bietet sie auch für die FU an. Damit dürfte Brühl auf offene Ohren stoßen – nicht nur bei den Studierenden. Schließlich hatte es auch aus der Professor*innenschaft immer wieder kritische Stimmen zu Präsident Alts Führungsstil gegeben. Eine Revolution lässt sich allerdings genauso wenig von Brühl erwarten. Auch sie betonte in ihren Bewerbungen vor allem ihre Wertschätzung für den bisherigen Weg der FU in Fragen der Exzellenzinitiative und unterscheidet sich in vielen Kernfragen nicht von ihrem Konkurrenten Ziegler.

Leitungserfahrung und Konzepte zur Konfliktlösung bringt Brühl aus Frankfurt zuhauf mit, ob sie damit die im Vergleich zu Ziegler fehlenden Kontakte und den schwierigen Netzwerkzugang ausgleichen kann, darf mit Spannung erwartet werden. Mit ihrem kommunikativen Stil könnte sie einige der liberaleren eAS-Mitglieder und enttäuschte Alt-Anhänger für sich überzeugen. Schon eine Vertagung der Entscheidung auf den 2. Wahlgang wäre für Sie ein Erfolg.

Teil des alten und neuen Präsidiums: Klaus Hoffmann-Holland. Foto: Christoph Spiegel
Teil des alten und neuen Präsidiums: Klaus Hoffmann-Holland. Foto: Christoph Spiegel

Als erster Vizepräsident bringt sich schließlich Klaus Hoffmann-Holland in Stellung. Als einziger Kandidat für das Amt gilt seine Wahl als sicher. Als bisheriger VP3 unter Präsident Alt war er für die praktischen Fragen von Lehre und Studium zuständig. In den vergangenen Jahren wurden Hoffmann-Holland selbst immer wieder Präsidentschaftsambitionen nachgesagt. Der prominente Rechtswissenschaftler und Vorsitzende Richter am Landgericht Berlin gilt als umstrittenste Figur der Präsidiumswahl. Als rechte Hand des Präsidenten war er stets an vorderster Front an den zahlreichen Konflikten der letzten Jahre beteiligt. Seit der Durchsetzung der Rahmenstudien- und Prüfungsordnung gilt sein Verhältnis zur Studierendenschaft als belastet. Auf der anderen Seite überraschte Hoffmann-Holland im vergangenen Wintersemester mit der Solidaritätsbekundung für die TVStud-Kampagne im AS. Der darauffolgende Beschluss ging primär aus seiner Feder hervor. Hoffmann-Holland ist gut vernetzt und gilt bereits als alter Hase im Tagesgeschäft des Präsidiums. Als ausgezeichneter Redner ist er geübt darin, sowohl ausgleichende als auch durchsetzungsstarke Positionen im AS zu vermitteln. Im neuen Präsidium dürfte Hoffmann Holland deshalb eine zentrale Schaltstelle werden und erster Ansprechpartner für den*die neue*n Präsident*in sein.

Autor*in

Felix Lorber

schrieb, schreibt und wird geschrieben haben - für FURIOS und andere. Vorwiegend online, mal über Politik, mal über Musik.

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