Der Herr der Ausrufezeichen

Von der FU-Zeitschrift über das „Deutschlandradio” zur „Bild”: Die Karriere von Ernst Elitz ist bemerkenswert – wirft aber auch Fragen auf. Ein Porträt von Marius Mestermann und Björn Brinkmann.

Ernst Elitz, ein Mann der in keine Schublade passt. Foto: Marius Mestermann

Ernst Elitz passt in keine Schublade. Foto: Marius Mestermann

Fast wäre dieses Porträt wegen dreißigtausend angeblich verschwundener Asylbewerber*innen nicht zustande gekommen. Denn als die „Bild”-Zeitung ihren Bericht über die Asylsuchenden und den „neuen, unfassbaren Behörden-Skandal” gedruckt hat, muss Ernst Elitz das Gespräch mit FURIOS absagen.

Seit Anfang 2017 ist er Ombudsmann bei der Boulevardzeitung. Mit 76 Jahren hat sich Elitz da noch einmal eine größere Aufgabe vorgenommen: Er soll Kritik von Leser*innen aufnehmen und mit der Redaktion besprechen, gewissermaßen als Mediator. Dass die Zeitung ihn dafür ausgesucht hat, ist nicht verwunderlich. Denn Elitz kann viel Expertise vorweisen, insbesondere durch die über fünfzehnjährige Leitung des Deutschlandradios.

Doch was ihn wirklich prädestiniert, ist sein Stil: Ernst Elitz mag es plakativ. Das spüren wir auch, als er uns zwei Tage nach dem geplatzten Gesprächstermin in einem Café in Wilmersdorf empfängt. Sein Motto: Journalismus sei dazu da, allen Menschen ein Angebot zu machen – „unabhängig von ihrem Bildungsstand und ihrem politischen Interesse”. Qualität sei nicht ab einer bestimmten Länge gegeben, sondern „wenn es stimmt und wenn man es versteht.”

“Diekmanns Götterbote”

Dass er von Pauschalkritik an Boulevardmedien nichts hält, wird nicht nur im Interview deutlich. Seit Jahren schreibt Elitz ultrakurze Kommentare für die „Bild”, trotz aller Kritik Deutschlands auflagenstärkste Zeitung. Kein Thema ist vor ihm sicher. „Ernst Elitz hat zu allem eine Meinung”, schrieb taz-Kolumnistin Silke Burmester vor ein paar Jahren und nannte ihn „Diekmanns Götterboten”, in Anlehnung an den ehemaligen „Bild”-Chefredakteur.

Gerne übernimmt Elitz unpopuläre Positionen. Ein Rudel Ausrufezeichen jagt oft seinen Sätzen hinterher. Was hat er in den letzten Jahren nicht alles gemacht: Thilo Sarrazin verteidigt, Griechenlands Regierung in der Euro-Krise als „Schande für Europa” bezeichnet, aber auch die „Ehe für alle” gefordert. In eine Schublade passt Ernst Elitz nicht, dafür ist er zu gerissen und vielseitig.

Vom Studenten zum Intendanten

Bei unserem Treffen ist er gut aufgelegt, auskunftsfreudig. Er hat ja auch viel zu erzählen. Im direkten Gespräch fällt es schwer, Elitz’ Antworten zu greifen. Er liebt Anekdoten und Exkurse, weiß aber auch genau, wie er Untiefen ausweichen kann. Einstudiert hat er das in einer beispiellosen journalistischen Karriere, die im geteilten Berlin begann. „Diese Zeit hat mich sehr geprägt – man musste grundsätzlich skeptisch sein, weil jede Seite die Wahrheit für sich beansprucht hat.” Ab 1960 widmet sich Elitz an der noch jungen Freien Universität acht Jahre lang der Germanistik, Theaterwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie: „Am Anfang habe ich sehr fleißig studiert, wie sich das gehört.” Doch schon bald habe seine Tätigkeit als Journalist Überhand genommen.

An der Uni wird Elitz Chefredakteur der vom Asta finanzierten Campuszeitschrift „FU-Spiegel”, später auch Pressereferent des Studierendenausschusses. Die Sechziger sind politisch aufregende Zeiten, besonders für Studierende. Der spätere Berliner Regierungschef Eberhard Diepgen etwa stürzt als Asta-Vorsitzender über seine Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung. Elitz berichtet und macht sich einen Namen als Spezialist für Bildungs- und Hochschulpolitik. Schnell werden andere Medien auf seine Artikel aufmerksam, als erstes der von den Amerikanern gegründete „Rundfunk im Amerikanischen Sektor” (RIAS). Auch für „Die Zeit” schreibt er, bis sein Studium kurz vor dem Höhepunkt der 68er-Bewegung endet. „Da war ich schon vollends in der Rolle des Beobachters”, erzählt Elitz mit Blick auf die Studierendenproteste.

Es folgen fünf Jahre als „Spiegel”-Redakteur, und so lässt sich die illustre Liste seiner Karrierestationen fortführen: Zurück beim Rundfunk wird er Moderator des „heute journals”, dann Chefredakteur des SWR und Kommentator bei den „Tagesthemen”. Ein Lieblingsmedium hat Elitz nie, er will immer Neues ausprobieren.

Als in Berlin die Mauer fällt, stellt sich auch die Frage nach der Zukunft seines ehemaligen Arbeitgebers RIAS, des Deutschlandfunks und des DDR-Kulturradios. Es folgt ein jahrelanges politisches Ringen, vor allem die ARD will einen neuen bundesweiten Radiosender verhindern. Dennoch wird 1994 das Deutschlandradio als autonomer Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegründet, mit Ernst Elitz als erstem gewählten Intendanten. Fünfzehn Jahre lang ist er „mehr Medienpolitiker als Journalist”, erinnert sich Elitz. Seinen in weiten Kreisen exzellenten Ruf erarbeitet er sich darüber hinaus auch als Dozent in Göttingen, Hochschulrat in Stuttgart und später als Honorarprofessor an der FU.

Was zählt, ist das Gewissen der “Bild”-Redaktion

Als die „Bild” ihn dann Anfang 2017 fragt, ob er nicht Ombudsmann werden wolle, zögert Elitz nicht lang. Zu dieser Zeit brennt es bereits ordentlich beim Springer-Blatt, das kurz zuvor eine Geschichte über einen angeblichen „arabischen Sex-Mob” in Frankfurt am Main gedruckt hatte – eine Falschmeldung, wie sich herausstellte.

Dass Ernst Elitz die passende Wahl für die „Bild” ist, zeigt sich wenig später. Nach dem Terroranschlag auf ein Konzert in Manchester druckt die Zeitung, ohne Erlaubnis der Eltern, Fotos der größtenteils minderjährigen Opfer. Ombudsmann Elitz bekommt daraufhin zahlreiche kritische Briefe, weist die Vorwürfe aber zurück: „Das Gewissen der Mütter und Väter in der Redaktion hat bei der Auswahl der Fotos aus Manchester richtig entschieden.” Plakativ und bestimmt – ganz nach Elitz’ Geschmack.

Dieser Text stammt aus der 19. Ausgabe von FURIOS – hier als ePaper bei Issuu.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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