Partytrain nach Dahlem

Endlich ohne Umstieg: Mit der U3 geht es jetzt direkt vom Club an der Warschauer Straße in die Uni. Carla Spangenberg hat den Selbstversuch gewagt.

Studierende können jetzt bis kurz vor Vorlesungsbeginn in den Clubs der Stadt tanzen. Foto: Carla Spangenberg

Freitagmorgen 6Uhr: Ich krabbel aus dem Matrix. Die „Girls on Fire” Party hat meine Erwartungen übertroffen: Freier Eintritt, pinke Cocktails und heiße Toyboys, die mir an der Bar und auf der Tanzfläche „Hilfestellungen” leisten – ganz so, wie emanzipierte Frauen wie ich den „Herrentag” feiern. Ich zerre mir die obligatorischen High Heels von den Füßen – im Club wollte ich meinen Toyboys auf Augenhöhe begegnen. Jetzt latsche ich barfuß weiter. Zusammen mit Mustafa zwänge ich mich in den Fotoautomaten. Nächte wie diese muss ich verewigen. Mustafa, das ist mein Gemüsedöner, denn für einen echten Mann hat es mal wieder nicht gereicht.

Ich bin versucht, die Uni sausen zu lassen, will einfach nur nach Hause schlurfen und mich in meinen Ausdünstungen in den Schlaf winden. Aber die Ausreden sind zwecklos, denn die U3 fährt seit dieser Woche direkt zur Uni und das heißt, sie ist mir jetzt näher als mein Bett. Schlafen kann ich ja auch in der U Bahn.

Freie Platzwahl im Schlafwagen

Während ich in der Bahn vor mich hin döse, steigen die üblichen Verdächtigen ein: Tourist*innen in Trekkingsandalen, die das Frühstück im Hotel sausen lassen, um pünktlich zur Öffnung an der Museumspforte zu kratzen. Daneben die Pfandsammler*innen, für die der kollektive Abriss zum Vatertag ein Geschenk des Himmels ist.

Am Gleisdreieck wache ich auf von einem Sabberfaden, der mir auf den Arm tropft. Mein natürlicher Wecker des Powernaps hat mal wieder funktioniert! Ich schaue zur Seite: Von der Kopfstütze grinst mich ein verzerrtes Gesicht an. Im Schlaf habe ich meine Schminke dort abgeschmiert. Ich bewundere den perfekt geschwungenen Lidstrich meiner Doppelgängerin.

Verkatert aber pünktlich: ein Erfolgskonzept

Als ich gerade den Speichel aus meinem Gesicht wische und an den getrockneten Stellen kratze, erreichen wir den Nollendorfplatz. Reflexartig will ich aussteigen, merke aber gerade noch rechtzeitig, dass ich einfach sitzen bleiben kann. Ich bin die Einzige die sich wirklich darüber freut.
Auch die Ansage der Lautsprecherstimme ist unspektakulär. Ich erwarte ein Feuerwerk, das die Weiterfahrt nach Krumme Lanke ankündigt, wenigstens ein euphorisches Klatschen wie bei einer pünktlichen RyanAir Landung. Nichts dergleichen: Unterirdisch geht es weiter und ich widme mich wieder meiner glückseligen Sabberei.

Ab dem Heidelberger Platz geht das altbekannte Kuscheln los, nur dass ich diesmal nicht stehend meine Nase in die Achselhöhlen meiner Mitfahrenden stecke. Stattdessen befinde ich mich auf Augenhöhe mit ihren Ärschen – da helfen auch die High Heels nichts.

Nach 33 Minuten und 37 Sekunden komme ich in Dahlem Dorf an.
Pünktlich und dank Powernap auch relativ ausgeschlafen stolziere ich zu meinem Seminar. An der Tür fleddert ein Zettel – Seminar entfällt. Mein Dozent hat den Herrentag wohl auch gefeiert – anscheinend nicht im Matrix, sonst wäre er dank U3 auch pünktlich gewesen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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