Die Lehre leidet

Meinen es Dozierende mit der Lehre ernst, so müssen sie sich auf politischer Ebene engagieren, anstatt strukturellen Problemen mit Tricksereien zu begegnen, meint Leonhard Rosenauer.

„Oh Captain, my Captain!“, ruft der Schüler Todd Anderson am Ende des Films „Der Club der Toten Dichter”. Mit diesen Worten drückt er seine Anerkennung und seinen Dank für seinen scheidenden Lehrer aus – ein Lehrer, dessen ganzes Engagement stets seinen Schützlingen galt. An der Uni sollten sich einige Dozierende eine Scheibe von dem von Robin Williams gespielten Lehrer abschneiden, denn für sie steht die Wissensvermittlung offensichtlich nicht im Vordergrund. Die Leidtragenden sind Studierende.

Es ist ein alter Hut: Bologna, die zunehmende Neoliberalisierung und der einhergehende wirtschaftliche Druck belasten die Lehre. Dozierende kämpfen mit einem erhöhten Arbeitspensum, vermehrter Bürokratie, befristeten Verträgen und schlechter Bezahlung. Ihnen fehlt die Zeit für ihre Forschung, Seminare sind überbucht und die Vorgaben der Modulhandbücher und Prüfungsordnungen sind in der Praxis oft nicht umsetzbar. Die Liste kann ohne Probleme beliebig weitergeführt werden. Fest steht: Es gibt ein strukturelles Problem.

Dienst nach Vorschrift

Dennoch heißt das nicht, dass Lehrende dies als Ausrede nutzen sollten, um nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen. Gerade von ihnen wäre Engagement für exzellente Wissensvermittlung wünschenswert. Stattdessen wird getrickst und auf Kosten der Lehre, Zeit und Aufwand eingespart. Sitzen in einem Seminar zu viele Studierende wird aus der abschließenden 15-seitigen Hausarbeit schnell ein dreiseitiges Essay in der letzten Sitzung. Grund: der Korrekturaufwand sei zu hoch. Wird doch mal eine Seminararbeit angeboten, passiert es häufig, dass ein paar Wochen nach Abgabe eine Note im Campus Management erscheint. Eine Nachbesprechung oder konstruktive Kritik: Fehlanzeige.

Zugegeben für Studierende mag sich der Arbeitsaufwand dadurch reduzieren, die Qualität ihrer Ausbildung leidet aber erheblich. Kompetenzen im wissenschaftlichen Schreiben werden so kaum erworben und ohne Feedback ist es oft schwer zu erkennen, wo die individuellen Schwächen liegen. Ganz nebenbei ist eine derartige Vorgehensweise unfair gegenüber den Lehrenden, die sich die Mühe machen ihre Studierenden umfassend zu fördern und dafür ihre Forschung hintenanstellen.

Agieren statt anpassen

Oft sind es Studierende, die sich mit Vorwürfen bezüglich Politikverdrossenheit und mangelndem revolutionären Geist, konfrontiert sehen. Doch mit zunehmenden Problemen wird es Zeit, auch Lehrende in die Verantwortung zu nehmen. Wollen die sich später einmal nicht vorwerfen lassen müssen, bei der Wissensvermittlung versagt zu haben, gilt es aktiv zu werden. Anstatt immer neue Wege zu finden mit der zunehmenden Belastung umzugehen, sollten Dozierende, im Interesse der Lehre, ihre Mittel zur Umgestaltung der Hochschulen voll nutzen. Das würde bedeuten Druck auf die Gremien und Organe auszuüben, die auf der Jagd nach Fördergeldern und Effizienz die Lehre ersticken und Vertreter*innen in die Gremien zu wählen, denen Raum für exzellente Lehre ebenso wichtig ist, wie für Forschung. Die Wahl von Günther M. Ziegler und anderen altbekannten Gesichtern war da sicherlich keine Hilfe.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.