Nobelpreisträgerinnen im Portrait

Der offene Hörsaal thematisiert in diesem Semester das Leben und Schaffen der insgesamt 14 Schriftstellerinnen, die mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurden. Klara Siedenburg und Antonia Wagner haben die öffentliche Ringvorlesung besucht.

Für ihre literarischen Erfolge wurden Nelly Sachs und Sigrit Undset mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Foto: Pixabay.

Dienstagabend, sechs Uhr: Der Hörsaal 2 ist bis auf den letzten Platz besetzt. Dieses Semester dreht sich die Vorlesungsreihe „Offener Hörsaal“ um 14 außergewöhnliche Frauen – Frauen wie Sigrid Undset und Nelly Sachs, die mit ihren Werken Weltgeschichte schrieben. Gerade mal fünf Prozent der Nobelpreisträger*innen sind weiblich und genau 14 davon erhielten den Preis für ihre literarischen Fähigkeiten. Die Vorlesung porträtiert, wie das Leben dieser Preisträgerinnen aussah, indem sie jeder dieser Frauen einen eigenen Vortrag widmet und damit ein längst überfälliges Thema behandelt.

Norwegens urbane Beobachterin

Es ist ein altes, aber kein überraschendes Bild: Eine einzige Frau sitzt inmitten von Männern in Anzügen. Nicht irgendeine Frau: Es ist Sigrid Undset, die norwegische Schriftstellerin, die kurz davor steht, den Nobelpreis für Literatur 1928 entgegen zu nehmen. Undset, die sowohl Historienromanzen als auch emanzipierte Stadtromane schreibt, ist erst die dritte Frau überhaupt, der diese Ehre zuteil wird.

Neunzig Jahre später erzählt Janke Klok dem „Offenen Hörsaal“ die Geschichte. Sie springt mit beeindruckender Leichtigkeit von historischen Fakten zu Anekdoten und zeichnet dadurch ein klares Bild vom Leben der großen Schriftstellerin. Undset streitet sich mit Faschisten und schreibt als eine der ersten Norwegerinnen in ihren Romanen über emanzipierte Frauen im urbanen Umfeld. Trotzdem heißt sie den Feminismus nicht gut. Dieser passe sich, so Undset, lediglich dem Kapitalismus an und übernehme die männliche Denkweise. Auch im Exil in den USA arbeitet sie weiter als Journalistin und sitzt oft an ihrer geliebten Schreibmaschine. Sie verfasst weitere Werke, blickt mit Freude auf eine Zeit ohne Krieg. Es ist kein Wunder, dass es sich auch heute noch lohnt, Sigrid Undsets Werke zu lesen und auf den Spuren dieser außergewöhnlichen Frau zu wandeln.

Eine Zeitreise ins schwedische Exil

Mit den Worten „Es gibt keinen guten Einstieg in dieses Thema“ beginnt Prof. Dr. Anette Jael Lehmann die Vorlesung über die jüdische Literaraturnobelpreisträgerin Nelly Sachs.

Eine betretene Stille breitet sich im Hörsaal aus und wird den Rest der Vorlesung nicht weichen. Unter den Zuhörenden findet sich neben einigen Studierenden auch eine große Anzahl älterer Damen und Herren, die wie gebannt auf die Fotos der Präsentation starren und den Tonaufnahmen Sachs lauschen, die ihre Gedichte höchstpersönlich in unsere Zeit katapultieren.

Nelly Sachs floh während des Nationalsozialismus aus Deutschland ins schwedische Exil. Dort widmete sie sich dem Schreiben von Gedichten und verarbeitete die schreckliche Vergangenheit des jüdischen Volkes, die Shoa. Ihre Texte behandeln das Thema der Flucht, ihre Gefühle als Überlebende sowie die darauffolgende europaweite Wortlosigkeit für Auschwitz und andere Orten des Schreckens.

1966 erhielt Nelly Sachs für ihre Gedichte den Literaturnobelpreis. Damit war sie seit 21 Jahren die erste Frau, welche diesen Nobelpreis überreicht bekam. Es würde noch 25 weitere Jahre dauern, bis Nadine Gordimer 1991 folgte.

Wer sich für die Werke und Leben der wenigen Literaturnobelpreisträgerinnen interessiert, sollte die Gelegenheit nutzen, sich auf diese Zeitreise zu begeben und die Vorlesung, die zur Vorlesungszeit jeden Dienstag stattfindet besuchen.

Autor*innen

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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