FURIOS Undercover: Unter Humboldts Zöglingen

In 20 Minuten zur Uni? Absurd. Aber es gibt dieses fremde Biotop namens „Humboldt Universität zu Berlin“. Franziska Montermanns* Mission: Dort einen Tag lang unterzutauchen.

Foto: Referat Öffentlichkeitsarbeit HU, Illustr.: Manon Scharstein, Bearbeitung: Anselm Denfeld

Fünf gleichermaßen überstylte Mädchen stolzieren vor mir in das pompöse Grimm-Zentrum. Ihr Gesprächsthema: Eine von ihnen sieht in High Heels größer aus als ohne – die Exzellenzinitiative zeigt hier wohl noch keine Ergebnisse. Mit steigendem Puls schleiche ich an ihrem Gleichschritt vorbei. Für einen Tag werde ich Jane Goodall spielen und das Leben hinter den so furchteinflößend und traditionell wirkenden Gemäuern der Humboldt Universität beobachten.

Orientierungslos und verstoßen

Verunsichert suche ich nach dem Seminarraum, den mir AGNES, die noch absurder klingende HU-Variante von Zedat, angezeigt hat. Nachdem ich zwanzig Mal am selben Bild vorbeilaufe und plötzlich enorme Sympathien für Buchstabenstraßen und farbig markierte Teppiche verspüre, finde ich endlich den Raum – und einen Zettel: Seminar fällt aus. Die HU verstößt mich bevor sie mich überhaupt kennt.
Doch ich gebe ihr eine zweite Chance. Um den beneidenswerten Standort auszunutzen will ich in einem der umliegenden Restaurants essen, doch ein Blick auf die Preise schleudert mich mit voller Wucht in die Mensa zurück. Denn so schön die Studis es in der Innenstadt haben, die schnieken Restaurants und Edel-Boutiquen scheinen ihr Angebot nicht mit dem Bafög-Satz abzustimmen.

Schaufenstershopping statt Restaurantbesuch

Verwirrt über die überdimensionierte Mensa Süd – zweistöckig und trotzdem viel zu klein – kämpfe ich mich durch die überfüllten Gänge. Mit den üblichen weich verkochten Nudeln quetsche ich mich zu ein paar Leuten im Untergeschoss, die mich gekonnter ignorieren, als ich es von den Dahlemer Studis gewöhnt bin. Im Kampf um Bedeutsamkeit scheint man hier gewillt, alles und jeden mit hochnäsigen Blicken einzuschüchtern.
Gestärkt dränge ich mich voller Hoffnung an einer Gruppe Tourist*innen vorbei in den Hörsaal des kulturwissenschaftlichen Instituts. Die Vorlesung über Hobbes geht schnell vorbei. Keine Wortmeldungen. Kaum Laptops. Ich höre einige Schauspieler*innen hätten an diesem Institut studiert, unter anderem Maria Ehrich – nur ein Semester. Was die gelangweilte Stimmung in der Vorlesung angeht, müssten hier noch ein paar baldige Stars sitzen. Aber na gut, ab sofort werde ich erzählen, dass Farin Urlaub an der FU studiert hat – einen Tag. Während der gesamten Veranstaltung turtelt vor mir ein extrem niedliches Pärchen mit abartig vielen Kosenamen – und erlöst mich vom FU-typischen Vorstadt-Aberglaube, hier würden nur polyamoröse Hipster-Götter studieren.

Neuer Versuch nach dem Mittagessen

Auf der folgenden Suche nach Kaffee gelange ich in die Schublade in der Kommode – das Café der Jurist*innen. Das geisteswissenschaftliche Desinteresse wird am Eingang des monströsen Gebäudes durch die Reinform juristischer Arroganz abgelöst. Auch wenn der Kaffee schmeckt, vergeht mir die Lust noch den Hochschulsport anzuschauen – auf den Gängen herrscht schon genug abcheckende Mc-Fit-Atmosphäre.
Die Frage, warum manche Menschen sich das Studium in der Innenstadt antun , lässt mich nachdenken. Aber dafür habe ich ja genug Zeit. Morgen früh. Wenn ich wieder die Reise ans Ende der Welt antrete. Dorthin wo nicht Beton und Touris herumstehen, sondern Dahlemer Landluft durch die baumbestandenen Alleen weht. Eben irgendwo im Nirgendwo am Ende der U3.

*Damit die Autorin weiter unerkannt die Hochschulen dieser Stadt unter die Lupe nehmen kann, haben wir den Namen geändert.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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