Für eine Woche tauscht Klara Siedenburg Schreibtisch gegen Großküche und stellt sich 150 hungrigen Mäulern, die versorgt werden wollen.
Mit müden Augen starre ich auf den Berg Kartoffeln vor mir. In meiner rechten Hand halte ich einen Sparschäler, in der linken eine halb geschälte Kartoffel. Um mich herum herrscht reges Treiben. Hinter mir befüllt jemand den Ofen mit Aufbackbrötchen, während auf der anderen Seite der Kücheninsel Wurst- und Käseplatten belegt werden. Es ist 7:30 Uhr. Seit einer Stunde stehe ich bereits in der Küche und frage mich: Ist es das Geld wirklich wert?
Als Studentin bin ich immer knapp bei Kasse. Das Angebot eines Bekannten, eine Woche in einer Großküche 150 Menschen in einem Selbstversorgerhaus zu bekochen, schien mir verlockend. Kochen kann ich gut, denke ich zumindest. Und wer will nicht das freudige Glitzern in den Augen anderer sehen, denen Essen die Seele wärmt?
Schürze, Haarnetz und falsche Schuhe
Ich habe das ganze romantisiert. 15 Kilo Kartoffeln sind geschält. Aber für die Kartoffelsuppe, die es zum Mittag geben soll, brauchen wir noch jede Menge Zwiebeln. Mir stehen Tränen in den Augen. Einige Stunden später falle ich gerädert in einen Stuhl. Meine Schürze ist starr vor Dreck, meine Haare unter dem Haarnetz klamm und ich habe mit meinen alten Tretern aus dem letzten Winter definitiv die falsche Schuhwahl für diesen Job getroffen.
Immerhin ein kleiner Lichtblick, als ich während der Essensausgabe zwei Kinder begeistert über die Suppe quatschen höre. In meiner Pause erzähle ich meinen Kolleg*innen davon. Sie winken gelangweilt ab. Das Meckern und Mosern der Gäste käme sicher noch.
Rauer Ton am Herd
Nach zwei Tagen in der Küche kann ich jeden Zentimeter meines Körpers fühlen. Besonders meine Füße. Meine Hände sind vom ganzen Desinfizieren trocken und mit kleinen Schnitten übersät. Ich wünsche mir inzwischen meinen Schreibtisch und den Stapel an noch zu erledigenden Hausarbeiten zurück.
Dann spitzt sich die Lage zu. Beim Abendessen gibt es nicht genügend Brot. Mit voller Empörung bekomme ich, beim Nachfüllen der Salate, diesen Missstand von den Gästen so häufig unterbreitet, dass mir in der Küche der Kragen platzt. Ich fange an zu schreien und zu schimpfen, meine Kolleg*innen brüllen zurück, während sie neues Brot aufschneiden.
Abends liegen wir uns jedoch bei einem Feierabendbier wieder in den Armen. Ein rauer Ton sei in der Küche völlig normal und nicht persönlich zu nehmen, meint eine Kollegin.
Bei der letzten Essensausgabe verteile ich Curry und Reis an die hungrigen Mäuler. Freude zeichnet sich auf ihren Gesichtern ab und zaubert auch mir ein Lächeln aufs Gesicht – das erste an diesem Tag. Mein Magen knurrt. In Gedanken bin ich bereits selbst am Essen, aber für Köch*innen gibt es erst später das, was übrig bleibt.
Nach der Woche steht fest, ein Job in Mensen und Cafeterien ist kein Zuckerschlecken. Für alle, die mir grummelnd mein Mittagessen in der Uni servieren. Im nächsten Semester werde ich euch täglich ein verschmitztes Lächeln zuwerfen. Euch mit meinen Blicken mitteilen, dass ich weiß, wie es euch in der Küche ergeht. Meine eigene Karriere als Köchin werde ich vorerst an den Nagel hängen.