Wie erzählt man die Historie einer Familie, deren Geschichte auch die des deutschen Kolonialismus ist? Dieser Spagat ist der Ausstellung „Zenkeri“ gelungen, meint Lilia Becker.
Betritt man den Ausstellungsraum, im hintersten Teil der zweiten Etage, sieht man zuerst die Fotografie eines dichten, wilden Waldes. Daneben die historische Aufnahme einer Männergruppe. Diese stammt aus dem Familienalbum der Familie Zenker und soll unter anderem Georg August Zenker zeigen. 1886 ging dieser als Mitglied eines Expeditionsteams nach Westafrika. Er ließ sich in Kamerun, von 1884 bis 1919 unter deutscher Kolonialherrschaft, nieder und gründete mit einer togolesischen Frau eine Familie. Die Nachkommen dieser Verbindung leben heute nicht nur in Kamerun, sondern in vielen Teilen der Welt.
Für die Ausstellung „Zenkeri“, die zur Zeit im Botanischen Museum zu sehen ist, besuchten die Künstler*innen Yana Wernicke und Jonas Feige die Familienmitglieder und hörten deren Geschichten zu. Das gezeigte Fotografie-Projekt porträtiert die Vergangenheit und Gegenwart dieser Familie und versucht dabei behutsam, Aspekte deutscher Kolonialgeschichte freizulegen.
Dokumentation und Ästhetik
Wernicke und Feige diskutieren mit ihrer Arbeit nicht, sondern laden zur Betrachtung ein. Dabei haben die Besucher*innen die Möglichkeit mehreren Erzählsträngen zu folgen und sich so selbst ein Bild vom Erbe der Familie zu machen. Die Aufnahmen des Duos werden von historischen Porträts, Tagebucheinträgen und Interviews gerahmt und zeugen sowohl von ästhetischer wie auch dokumentarischer Qualität. Punktuell eingebettet: kleinformatige Aufnahmen zoologischen und botanischen Materials aus dem Berliner Naturkundemuseum. Gegenstände, die Zenker zahllos aus Bipindi nach Berlin schickte und von denen viele noch heute seinen Namen tragen. Diese leisen Verweise versinnbildlichen die tiefgreifenden Spuren des deutschen Kolonialismus.
Fragmente einer Geschichte
So tiefgreifend wie die Tätowierung des Namens auf dem Unterarm eines der Nachkommen Zenkers. Die Familie ist stolz Zenkers Namen zu tragen, da dieser Infrastruktur und Arbeitsplätze schuf. Sein Name ist immer noch vielen Menschen in Kamerun ein Begriff. Doch er bringt der Familie nicht immer Gutes. Als Nachfahren eines Deutschen, die in einem von Außen repräsentativen Gebäude leben, welches im Kolonialstil erbaut wurde, wird die Familie Zenker tagtäglich mit Vorurteilen konfrontiert. Vorurteile, die auf Nichtwissen beruhen.
Die Ausstellung beleuchtet nicht nur eine vergessene Familiengeschichte, sondern wirft subtil Fragen nach dem Umgang mit dem Erbe des Kolonialismus sowie nach der Konstruktion von Identität auf. Die Fotograf*innen schaffen es, Wahrheiten zu präsentieren, die sich widersprechen. Wo wissenschaftliche Fakten auf Familienerinnerungen treffen, sind sie bemüht, ihren Respekt der Familie gegenüber zu zeigen.
Und doch muss angemerkt werden, dass der hier gezeigte Blick ein subjektiver ist und nur die Familie selbst zu Wort kommen lässt. Zwar bietet die Führung genug Raum für Dialog, Besucher*innen ohne Vorkenntnisse der Historie könnten zu sehr von dem Einzelschicksal der Familie eingenommen werden. Die Ausstellung schafft Anreize für eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Erbe des deutschen Kolonialismus, die kolonialen Machtverhältnisse, die bis heute in Wissenschaft und Gesellschaft tief greifen, müssen jedoch selbst reflektiert werden.
Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Januar 2019 im Botanischen Museum zu sehen. An diesem Tag findet auch die zweite Kurator*innen-Führung statt. Begleitend zur Ausstellung ist außerdem das Buch „Bipindi-Berlin” erschienen.