Hellas unterm Hakenkreuz

Die faschistische Besatzung Griechenlands ist das wohl dunkelste Kapitel deutsch-griechischer Geschichte. Hagen Fleischer arbeitet sie in einem Zeitzeug*innenarchiv auf. Marcel Jossifov hat es sich angeschaut.

Deutsche Soldaten hissen die Hakenkreuz-Flagge auf der Akropolis (Mai 1941). 
Bundesarchiv, Bild 101I-164-0389-23A / Theodor Scheerer / CC-BY-SA 3.0

Merkel mit Hitlerbart, Merkel in SS-Uniform – die griechischen Karikaturen der Kanzlerin machten weltweit Schlagzeilen. Während der Eurokrise gingen zehntausende Griech*innen auf die Straße, um gegen die ihnen auferlegten Sparmaßnahmen zu demonstrieren. Auf den ersten Blick könnte man derartige Karikaturen für simple Polemik halten, aber im Falle Griechenlands ist der historische Bezug unverkennbar: Die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg.

Am 6. April 1941 überschritten deutsche Truppen die griechisch-bulgarische Grenze, zwei Wochen später kapitulierte die griechische Armee. Es begann eine verhängnisvolle Besatzungszeit, gezeichnet von Widerstand, Kriegsverbrechen und Kollaboration. Diesem bis heute nie ganz überwundenen Abschnitt deutsch-griechischer Geschichte hat Hagen Fleischer von der Universität Athen das einzigartige Zeitzeugenarchiv „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ gewidmet und wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der Historiker kooperierte mit dem Center für Digitale Systeme (CeDiS) der FU Berlin.

Zwischen den Fronten

Eine Zeitzeugin ist Marianthi Nachmia aus der Hafenstadt Volos. Sie verpackte in einer Tabakfabrik Zigaretten, als plötzlich die Alarmsirenen aufheulten. Zunächst war ihr nicht klar, was der sonore Klang zu bedeuten hatte, doch kurz darauf fielen Bomben auf die Kleinstadt an der thessalischen Küste. Durch Flucht in die Kellerräume der Fabrik rettete Marianthi ihr Leben. In der darauffolgenden Besatzungszeit erlebte sie Kriegsverbrechen hautnah. Einmal stolperte sie auf dem morgendlichen Arbeitsweg fast über acht Erschossene, die zu Füßen eines deutschen Soldaten lagen, ein anderes Mal flankierten Gehängte den Straßenzug. Ob sie die Straße nach dem Krieg je wieder entlanggelaufen sei? „Dieses Bild. Niemals.“

Deutsche Soldaten vor dem Parthenon (April 1941). 
Bundesarchiv, Bild 183-L22515 / Walter Dick / CC-BY-SA 3.0

Marianthi hielt sich bedeckt und arbeitete fleißig weiter, um nicht ins Fadenkreuz zu geraten. Angebote sich den kommunistischen Partisanen anzuschließen lehnte sie aus Angst ab. Aber als ihr Bruder hoch in die Berge zu den Partisanen ging, traf auch sie die brutale Wut der Besatzer. Haus und Hof wurden abgebrannt, Marianthi verhaftet. Es folgten Deportation und Zwangsarbeit. Von Thessaloniki ging es über Ravensbrück bis nach Köpenick. Marianthi überlebte abgemagert und von Peitschenhieben geschunden den Krieg. Sie wünscht den Interviewenden: „Möge euch so etwas nie in eurem Leben begegnen.“

Anhaltende Aktualität

89 weitere Zeitzeug*innen wurden vom Team um Fleischer nach einer biografisch-narrativen Methode interviewt. Sie erzählen zunächst völlig frei von ihren Erlebnissen, bevor am Ende Nachfragen folgen. Die Methode ermöglicht es, dass die Zeitzeug*innen eigene Schwerpunkte setzen und neue Details über die Ereignisse jener Jahre bekannt werden. Lediglich das Thema der Kollaboration Einheimischer mit den Besatzern kommt im Archiv zu kurz. Ein einziger Zeitzeuge ließ sich zu dem Tabuthema befragen.

Nicht nur deshalb muss die Aufarbeitung der Besatzungszeit fortgesetzt werden. Das Thema ist auch politisch hochaktuell. Vor kurzem entbrannte die Diskussion um deutsche Reparationszahlungen an Griechenland erneut: 280 Milliarden Euro fordert Premierminister Alexis Tsipras momentan von der deutschen Regierung.


Autor*innen

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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