Wenn Ordnung zerfällt

In der Freien Filmwerkstatt der FU feierte der Kurzfilm Heimlich” Premiere. Ein Film der nicht nur unter die Haut, sondern sich auch in die Psyche gräbt, findet Philipp Wagner.

Das Publikum schaut gebannt auf die Leinwand. Foto: Philipp Wagner

Ein Film. Eine Premiere. Eine Frau steht mit einem Telefon in der Hand an der Tür zu ihrer Wohnung und spricht in den Hörer zu ihrem Exfreund. Ihr Körper ist starr, ihr Puls rast, ihre Stimme klingt verzweifelt. Sie wirkt verloren, fassungslos und steht unter Schock.

Der Kurzfilm „Heimlich” entstand in der Freien Filmwerkstatt, einem 2016 gegründeten studentischen Projekt, das das theoretische Studium der Filmwissenschaft mit der Praxis vereint. Die Filmidee für “Heimlich” wurde im November 2017 von Yvonne Festl, der Regisseurin des Filmes, in der Freien Filmwerkstatt vorgestellt. Die Idee orientiert sich an einer Geschichte aus einer japanischen Kleinstadt.

Pedantisch und akribisch genau

Der 16-minütige Film zeigt das Leben der zwanghaft perfektionistischen Anna. Anna lebt allein. Sie hat eine Trennung hinter sich und nur noch wenig sozialen Kontakt. Pedantisch und akkurat wie Anna ist, werden die eigenen vier Wände für sie zum schützenden Rückzugsort. Mit akribischer Sorgfalt widmet sie sich jeder Aufgabe, achtet genau darauf, wo sich was befindet und wie es nicht zu Unstimmigkeiten in ihren perfekt erarbeiteten Strukturen und Routinen kommt. Die Wohnung ist groß. Jedes Merkmal gehört strengstens an vorgesehenen Platz und Stelle. Alles in „Heimlich” scheint normal, gegliedert und sortiert, aber die Fassade fängt an zu bröckeln und Anna entwickelt die Angst, sie sei nicht mehr allein in ihrer Wohnung.

Aus dem Publikum ist während der Premiere kein Ton zu hören. Gebannt schaut es auf die Leinwand und hängt an Annas Lippen, beobachtet, wie sie durch ihre Wohnung in die verlassen wirkende Diele streift. Die Zuschauer*innen fühlen mit der Protagonistin mit. Die Szenen schockieren. Die Antwort auf die Frage, wer oder was in Annas Wohnung ist bleibt ungeklärt.

Musik zum Erschaudern

Der Film spielt mit der Psyche des Publikums. Er bietet Bilder, die jede*r kennt. Alltagsbilder, gewöhnliche Bilder. Anna faltet ihre Wäsche zusammen. Anna isst zu Abend, legt sich schlafen. Die Darstellung geschieht jedoch auf besondere Weise: Neben der Kameraführung beeindruckt vor allem die außergewöhnliche Filmmusik. Sie macht den Film zu einem Kunstwerk. Sie schmiegt sich mit tiefen Wesen an jede Bildsequenz und lässt einen erschaudern und hellwach werden. Die Musik ist dunkel, dröhnend, mit tiefem Bass und bringt eine gewaltig gruselige Atmosphäre in Annas strukturiertes Leben und ihre Umgebung. Sie bahnt sich nur so den Weg durchs Ohr, dringt tief in den Körper zum Herzen und bewegt es mit feurig eiserner Hand.

Die Leinwand wird schwarz, das Publikum applaudiert. Das Projekt der Freien Filmwerkstatt ist gelungen und feierte mit seiner Premiere nicht nur einen Erfolg, sondern auch einen Film der unter die Haut geht.

„Heimlich” wurde neben der Premiere an der FU bereits als Vorfilm im Halloween-Programm des Filmrauschpalasts Moabit präsentiert. Außerdem wird geplant, den Film auf diversen Filmfestivals einzureichen. Den Teaser zum Film gibt es hier.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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