Anhand bizarrer Beispiele wurde in der internationalen Tagung “Ecologies of Gender” die Beziehung zwischen Mensch und seiner natürlichen Umwelt erfasst. Melanie Jacobsen berichtet.
Ein Bild eines aufgeschlagenen, zerrupften Buches mit dem Titel „Die Welt, in der wir leben“. Die Annahme der meisten Zuhörenden, es handele sich um ein Symbol für die vielfältigen aktuellen Problematiken auf diesem Planeten, wird von Referentin Sabine Neisser schnell verworfen: Papageien seien nämlich von den Künstler*innen eingesetzt worden, um das Buch zu „bearbeiten.” In anderen Worten: Es wurde mit dem Schnabel einfach drauflosgehackt. Das Werk sei daher eine „Kollaboration zwischen Arten“.
Damit beginnt Neissers Vortrag „Gender I Nature I Nonhuman Animal: Vervielfältigung der Differenz im Kino“ im Rahmen der internationalen Tagung „Ecologies of Gender: Contemporary Nature Relations and the Nonhuman Turn“, die vergangene Woche im Seminarzentrum der FU stattfand. Zentrale Motive der Konferenz waren ebenjene Begriffe Geschlecht, Natur und nicht-menschliche Tiere, die heutzutage stark thematisiert werden. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf Beziehung und Abhängigkeit der drei Faktoren untereinander gesetzt.
Papageien? Kohlbabys?
Auch der sogenannte „Nonhuman Turn“ spielt eine große Rolle. Er gilt als Überbegriff für verschiedene sozial- und geisteswissenschaftliche Ansätze, die die Dezentralisierung des Menschen und einen größeren Fokus auf seine Umwelt anstreben, um eine neue Perspektive auf diverse aktuelle Problematiken darzubieten.
Vor allem Sabine Neisser legte eine interessante Sichtweise dieser Thematiken dar, da sie auf filmische Werke einging, in denen das Zusammenspiel von Mensch und verschiedenen Faktoren aus seiner Umwelt repräsentiert wird. Nach dem einleitenden Beispiel der Papageien, die sich an dem von den Künstler*innen vorgelegten Buch kreativ austoben durften, kam der erste fiktionale Film überhaupt, „La Fée aux Choux“ („Die Kohlfee“). Er zeigt eine Frau, die tanzend durch ein Kohlfeld spaziert und dabei Babys „pflückt“. Eine bizarre Handlung, die das Menschliche in Verschmelzung mit der Natur darstellen soll.
Sensationalismus in der Natur
Zuletzt wird das zehnminütige Youtubevideo „Battle at Kruger“ gezeigt, das mit der hier präsentierten Naturszene fast 80 Millionen Klicks erreicht hat: Löwen greifen eine Büffelherde an, diese gewinnt letztendlich den Kampf. Überraschenderweise zieht Neisser an diesem Punkt einen Vergleich zu den sogenannten „Völkerschaus“ in der deutschen Kolonialzeit, da auch diese von der „Schaustellung des Wilden“, so Neisser, profitierten.
Somit wird von der Beobachtung nicht-humaner Naturverhältnisse der Bogen zu menschlicher Psyche und Verhalten gespannt. Dass man diese auch in konkrete Lösungsvorschläge für aktuelle soziale und kulturelle Debatten umsetzen kann, ist eine zentrale Message der Tagung.