Eine erschreckend authentische Inszenierung

Die „Italienische Nacht“ an der Schaubühne thematisiert auf gelungene Weise die aktuelle politische Stimmung in Deutschland. Vorhersehbar, aber dennoch treffend, findet Anabel Rother Godoy.

Das Gasthaus als Herzstück des ländlichen Gefüges. Bildmontage/ Foto: Arno Declair, Illustration: Joshua Leibig

Als Ödön von Horváths Stück „Italienische Nacht“ 1931 in Berlin uraufgeführt wird, sind die Nationalsozialisten eine rasch wachsende politische Kraft in der Weimarer Republik. Die Machtlosigkeit der Republikaner*innen im Angesicht der gewaltbereiten Nazis bietet die Grundlage für das Stück, das ohne Zweifel die schreckliche Zukunft der Republik ankündigt.

Dieses Stück nun auf die heutige Lage der aufstrebenden rechten Strömungen und den bundesweiten Misserfolgen der Sozialdemokrat*innen anzupassen, scheint auf den ersten Blick vorhersehbar und abgedroschen – inklusive der gängigen Pegida-Parolen und einer rechten Rhetorik, die sehr an die der AfD erinnert.

Ein Raum für alle

Regisseur Thomas Ostermeier schafft es mit dem Bühnenbild jedoch erschreckend gut, die politische Lage der Zeit widerzuspiegeln. Die gesamte Handlung spielt rund um ein heruntergekommenes Gasthaus, welches an eine Kleinstadt in Niederbayern angelehnt ist und durch Rotation in Szene gesetzt wird. Bis auf einige kleine Veränderungen bleibt das Bühnenbild das gesamte Stück über gleich. Soll das die Stagnation in den deutschen Kleinstädten vermitteln?

In dem Gasthaus findet die „italienische Nacht“ der Sozialdemokrat*innen statt. Parallel dazu der Auftakt einer bewaffneten Übung einer faschistischen Gruppe. Während es dem Stadtrat, einem Sozialdemokraten, allein darum geht, seine lang herbeigesehnte Fete reibungslos über die Bühne zu bringen, zeigen die Rechtsradikalen einen aggressiven Tatendrang, mit Maschinengewehren und lautstarkem Rechtsrock. Beide Gruppen werden überzeugend und beängstigend authentisch gespielt. Die Sozialdemokrat*innen scheinen nur lose zusammenzugehören. Ein paar Arbeiter*innen, ein Künstler und die Berufspolitiker*innen sind sich in nichts einig, außer dass die Rechtsradikalen schlecht sind. Die Faschist*innen, die als ausschließlich junge Gruppe dargestellt werden, scheinen nicht nur durch die stereotypische Kleidung echt. Wut und Hass sind spürbar, wenn sie die blinde Überzeugung der rechten Ideologie auf die Bühne bringen.

Sozialdemokrat*innen als leichtes Ziel für Spott

Dem Ernst der Thematik zum Trotz wird die politische Inkompetenz der Sozialdemokrat*innen so humorvoll dargestellt, dass der ganze Saal mehrmals in Gelächter verfällt. Dies ist vor allem David Ruland zu verdanken, der den Sozialdemokraten Kranz spielt. Sein herrlich betrunkener Monolog erinnert an Stand-up-Comedy. Ganz lenkt der Humor nicht davon ab, dass die Handlung zu stark auf die Monologe und Debatten der Sozialdemokrat*innen fokussiert ist. Immer wieder wird die gleiche Auseinandersetzung zwischen den jungen, linken Strömungen und den bequemen, alteingesessenen Sozis thematisiert.

Viele Aspekte des Stücks sind vorhersehbar. Vor allem die Implementation der geläufigen rechten Parolen und die Kritik an der Tatenlosigkeit der Sozialdemokrat*innen. Das viele Rauchen und Trinken sollte an der Schaubühne niemanden mehr überraschen. Die ohrenbetäubende Lautstärke bei den Musikeinlagen schon gar nicht. Das schauspielerische Talent jedoch, das den Charakteren eine unerwartete Tiefe gibt, macht dies allemal wett. Insgesamt ist die „Italienische Nacht” ein rundum gut inszeniertes Stück, das ein sehr präsentes und wichtiges Thema behandelt. Zwar nicht auf revolutionäre Weise, aber dennoch eindrucksvoll.

Das Stück „Italienische Nacht” ist seit November 2018 an der Schaubühne zu sehen.


Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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