Antibiotika aus dem ewigen Eis

Mathias Christmann und seinem Team ist erstmals die Synthese eines Wirkstoffs gegen antibiotikaresistente Bakterien gelungen. Josefine Strauß spricht mit dem Professor über die Entdeckung und das weitere Vorgehen.


Mathias Christmann im Gespräch mit Furios.
Foto: Josefine Strauß

Der FU-Wissenschaftler Mathias Christmann und der Doktorand Thomas Siemon haben zum ersten Mal den Wirkstoff Darwinolid chemisch hergestellt. Der wirkt gegen antibiotikaresistente Bakterien und kommt sonst nur in antarktischen Meeresschwämmen vor.

Wie haben Sie entdeckt, dass der Naturstoff Darwinolid wirksam gegen antibiotikaresistente Bakterien ist?

Das ist tatsächlich nicht unsere Leistung. Dafür gibt es Forscher, die sich auf die Isolierung von Naturstoffen spezialisiert haben und Expeditionen zu ungewöhnlichen Orten unternehmen, wo Organismen unter Extrembedingungen leben und sich gegen andere Organismen mit Chemikalien verteidigen. Wir informieren uns dann  in der Literatur über interessante neue Moleküle. Dabei fiel uns dieser Stoff auf. Es wurde beschrieben, dass dieser auch MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureusm, bekannt als Krankenhauskeim, Anm.d.R.) bekämpfen kann und Biofilme durchdringen kann. Insgesamt waren die Rahmenbedingungen in diesem Projekt perfekt gegeben: Interessante Wirkung und begrenzte Verfügbarkeit.

Wie funktioniert die künstliche Synthese dieses Stoffs?

Wenn Naturstoffe veröffentlicht werden, werden auch deren chemische Strukturen veröffentlicht, wir haben also eine genaue dreidimensionale Vorstellung vom Molekül. Wir müssen das dann in Gedanken chemisch zerlegen, bis wir es auf bekannte Verbindungen zurückgeführt haben. Für die Synthese probiert man dann von dort aus wieder neue Verbindungen aufzubauen, bis man sich dem Produkt annähert.

Was sind die nächsten Schritte zur weiteren Erforschung des Darwinolids?

Wir versuchen eine größere Menge des Naturstoffs herzustellen und Kontakt zu Arbeitsgruppen als Kooperationspartner herzustellen, die mit den MRSA-Bakterien arbeiten dürfen. Mit denen würden wir noch einmal die Wirkung der Substanz untersuchen. Dann versuchen wir die chemische Substanz zu verändern, um sie noch aktiver und effektiver gegen die Bakterien zu machen. Denn im Idealfall werden auch in geringsten Konzentrationen alle Bakterien abgetötet. Eine Kollaboration mit Biologen und Biochemikern wäre auch interessant, um den genauen molekularen Mechanismus des Darwinolids zu verstehen. Bisher weiß man, dass es irgendwo im Bakterium angreift, aber wo genau lässt sich noch nicht molekular auflösen.

Wie geht es danach weiter, wenn diese Schritte erfolgreich absolviert wurden?

Die bisherigen Tests sind in vitro-Tests (Tests in einer kontrollierten künstlichen Umgebung, Anm. d. R.), aber damit eine Substanz wirkt, muss sie in vivo aktiv sein, also in einem Organismus. Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Zum Beispiel, dass sie im Blutserum aktiv ist und sich nicht zersetzt. Und da viele Menschen ihre Medizin als Tablette einnehmen wollen, kann man den Wirkstoff in diese Richtung entwickeln. Das heißt, dass man den Wirkstoff als Tablette aufnimmt und dieser vom Magen in die Blutbahn gelangt. Das erfordert Optimierungen an dem Molekül hinsichtlich des Verlaufs und ist nicht so einfach. Das sind aber Fragestellungen, die man nicht unbedingt in einer Synthesearbeitsgruppe bearbeitet. Wenn man es so weit gebracht hat, würde das wahrscheinlich ein industrieller Partner weiter verfolgen.

Alexander Fleming hat bereits 1928 das von ihm benannte Penicillin entdeckt. Bis es eingeführt wurde, hat es allerdings bis in die frühen 1940er gedauert. Wie lange dauert es schätzungsweise noch, bis das Darwinolid als Pille genutzt werden kann?

Ergebnisse wie diese gibt es schon häufiger. Aber es müssen sehr viele Kriterien erfüllt sein, damit eine aktive Substanz wirklich zum Wirkstoff wird. Es gibt viele Ausschlusskriterien wie fehlende Stabilität oder toxische Nebenwirkungen. Der andere Punkt ist der zeitliche Rahmen bis zur Einführung: Realistisch sind fünf Jahre oder mehr.

Autor*in

Josefine Strauß

Kann Dinge besser aufschreiben als aussprechen.

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