Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Facebook finanziert ein neues Ethikinstitut an der TU München. Einfluss auf die Forschung nimmt der Konzern angeblich nicht. Trotzdem birgt die Kooperation Gefahren, meint Josefine Strauß.

Satte 6,5 Millionen Euro lässt Facebook zur Neugründung des Instituts für Ethik in der Künstlichen Intelligenz an der TU München springen. Die Universität und das Online-Netzwerk betonten zuletzt, dass der Konzern keine Möglichkeit habe auf die Forschung einzuwirken und die akademische Unabhängigkeit gewährleistet sei. Aber wie vertrauenswürdig ist ein Unternehmen, dass die eigenen Versprechen zum Thema Datenschutz wiederholt gebrochen hat? Auch vergangene Kooperationen mit Konzernen dieser Größenordnung lassen wenig Hoffnung auf eine klare Trennung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Um unvoreingenommene und unabhängige Forschung sicherstellen zu können, bedarf es mehr Transparenz und stärkere gesetzliche Rahmenbedingungen für Hochschulkooperationen mit Unternehmen.

Verzerrtes Bild durch gesperrte Publikationen

In jüngerer Vergangenheit kämpfte beispielsweise der pharmazeutische Bereich mit unabhängigen Drittmittelfinanzierungen. 2014 stoppte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Verkauf von rund 80 Medikamenten, nachdem bekannt wurde, dass die dazugehörigen Zulassungsstudien haufenweise gefälscht wurden. Damals waren 90 Prozent der veröffentlichten Pharmastudien zu neuen Präparaten industriefinanziert und Unternehmen konnten entscheiden, ob Studien überhaupt veröffentlicht werden oder nicht. So wurden ausschließlich Daten publiziert, die den positiven Nutzen der Medikamente hervorhoben. Dieser Fall zeigt, was passieren kann, wenn Wissenschaft lediglich ökonomischen Interessen und nicht dem Gemeinwohl dient: Die Gesundheit der Menschen wird leichtfertig aufs Spiel gesetzt, nur um wirtschaftliche Profite zu erzielen. Das widerspricht allen Prinzipien der Forschung und ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.

Um so eine eingeschränkte und letztlich falsche Informationsversorgung zu verhindern, müssen Forschungsbetriebe die Veröffentlichung aller Untersuchungsdaten festschreiben, nicht nur die Publikation einzelner Ergebnisse. Bisher ist das eher Ausnahme als Regel im Forschungsalltag.

Marktkonforme Forschung manipuliert öffentliche Meinung

Darüber hinaus sollten Universitäten auch alle anderen Prozesse im Rahmen der Partnerschaft offenlegen, um die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu gewährleisten. Denn nur so wird der industrielle Einfluss auf die Untersuchungen für die Öffentlichkeit sichtbar und eindeutig nachprüfbar. Passiert dies nicht, sind Vorfälle wie bei der Förderung durch die Deutsche Bank weiterhin möglich: Im Jahr 2006 sponserte das Kreditinstitut zwei Stiftungsprofessuren für die Berliner Humboldt Universität und die TU Berlin – bis bekannt wurde, dass der Bank deutlich mehr Mitspracherecht bei Forschung, Lehre und Personalauswahl zugesprochen wurde als angegeben.

Solche verdeckten Einflussmöglichkeiten sind fatal, denn sie ermöglichen eine marktkonforme Forschung, die nach außen trotzdem als seriöse Wissenschaft wahrgenommen wird. Dadurch wird die öffentliche Meinung und politische Entscheidungsfindung umso stärker im Sinne des Unternehmens manipuliert. Auch die TU München entschied sich jüngst gegen transparente Entscheidungswege und klare Auswahlkriterien. Sie verzichtete auf eine offene Ausschreibung des Direktorenpostens für das Ethikinstitut und besetzte die Stelle intern. Rechtlich möglich, aber nicht gerade vertrauensfördernd im Hinblick auf die Kooperation mit dem Silicon-Valley-Riesen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Natürlich sind finanzielle Förderungen durch Unternehmen für den Fortbestand von Forschungen unverzichtbar, schon allein aufgrund der niedrigen Zuwendungen durch die Länder. Aber damit Hochschulen nicht den Spielregeln der Konzerne unterworfen werden, sollten gesetzliche Vorgaben ein Mindestmaß an Transparenz sicherstellen. Denn freiwillig werden Unternehmen wie Facebook die Verträge mit Universitäten nie öffentlich machen und niemand weiß, welche Einflussmöglichkeiten die industriellen Partner bei den Projekten tatsächlich besitzen – zum Beispiel bei Stellenbesetzungen. Ein entsprechender Antrag der Grünen für ein Transparenzregister mit Offenlegungspflichten in Bayern wurde 2018 abgelehnt. Höchste Zeit, dass sich das ändert, denn nur unabhängige Forschung ist gute Forschung.

Autor*in

Josefine Strauß

Kann Dinge besser aufschreiben als aussprechen.

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