Blasse junge Frau hat wieder mal kastriert

Als Pazifistin hätte unsere Autorin beim Tekken-Turnier in der E-Sports-Bar lieber nur Drinks geschlürft. Aber Muskelprotzen virtuell die Fresse zu polieren, hat sie dann doch angestachelt.

Illustration: Klara Siedenburg

Von Carla Spangenberg

Eine Frau umschlingt den Kopf eines Mannes, der auf ihr liegt. Sie presst ihn so lange an ihre Brust, bis er zerfetzt. Mission Completed – Nina Williams wins! Siegessicher lege ich den Controller zur Seite. Nach dieser Aufwärmübung werde ich im anschließenden Tekken-Turnier im Zweikampf an der Playstation alle plattmachen.

Eigentlich hatte ich mich gesträubt, mit in die E-Sports Bar zu kommen. An den Wänden hängen Hauptplatinen und auf die Toilette geht man zu Super Mario oder Peach. Alles hat einen leicht nerdigen Touch und der Barmann meidet hinter seinem neongrünen Brillengestell jeglichen Blickkontakt. Aber Tekken ist extrem sexy und ich habe Blut geleckt: Als Tochter einer Pazifistin und eines Wehrdienstverweigerers war mir die Welt virtueller Gewalt bisher entgangen.

Der muskulöse „King” mit Leopardenkopf wird während des Turniers unter meinen High Heels zerquetscht. Auch den fetten Bob lege ich auf den Rücken. Die Combos aus Genicktritten und Nippeltwistern im Viertefinale stoppen jedoch meinen schon sicher geglaubten Turniersieg. Anstelle eines Controllers nutzt mein Gegner seinen eigenen „Fight Stick”: einen viereckigen Kasten, der aussieht wie ein Xylophon mit Tasten.

So ein Stick ermöglicht eine schnellere Bedienung und kostet 200 Euro. Eine sinnvolle Investition, denn er gewinnt und sahnt satte 20 Euro Preisgeld ab. Aber eine starke Kriegerin weiß, wann die Schlacht verloren ist. Also stürze ich mich an der Bar in ein neues Scharmützel: Beim Würfeln erspiele ich mir eine Armee aus Shots, mit der ich mir den Kopf wegballere.

Dieser Text stammt aus der 20. Ausgabe von FURIOS (Sommer 2018) – hier als ePaper bei Issuu.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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