Mehr Geld? Bitte nicht!

In Berlin geht es mal wieder ums Geld. Dabei ist ausnahmsweise welches da. Trotzdem streiten sich Universitäten und Landespolitik seit Jahren um die Lehrkräftebildung. Victor Osterloh kommentiert.

In Berlin gibt es zu wenige Lehrer*innen. Was seit zwanzig Jahren landläufig als Lehrermangel benannt durch die Regionalpresse geistert, ist ein Zustand, den der aktuelle Senat nicht mehr hinnehmen will. Deshalb stellt er den Universitäten 86 Millionen Euro zur Verfügung, um neue Lehrer*innen auszubilden. Was er für sein Geld sehen will, macht er auch klar: 2000 Absolvent*innen pro Jahr. Diese resolute Haltung trifft bei den Universitäten nicht unbedingt auf Gegenliebe.

Hochschulen sehen die Schuld beim Senat

Während die praktische Umsetzung zum Teil im Chaos versinkt, ertönt von Seiten der Universitäten ein beständiges Wehklagen über die Bürde, die so schwer zu tragen der Senat ihnen aufgegeben hat. Begleitet wird das mit mehr oder weniger eindeutigen Verweisen darauf, wer hier die Schuld an der Misere hat: das Land Berlin. So sagte der Präsident der FU, Günter Ziegler, im rbb-Fernsehen, es sei “relativ spät bemerkt worden”, dass es an Studienplätzen mangele und man könne “sich überlegen, woran das liegt.” Und es stimmt, denn als die rigide Sparpolitik des Senats vor fünfzehn Jahren ganz Berlin das Fürchten lehrte, strichen die Berliner Unis gezwungenermaßen einen großen Teil ihrer Lehrkräftebildung, um die damals vom Senat geforderten knapp 100 Millionen Euro Einsparungen zu erreichen. Grund für den Mangel an Lehrer*innen ist diese Sparpolitik. Auch in Dahlem erinnert man sich an diese Zeit, schließlich musste die FU um die Jahrtausendwende sogar um ihre Existenz bangen

Aber der Streit um die Verantwortlichkeit ist nur die Spitze des Eisbergs. Der eigentliche Konflikt besteht darin, dass die Universitäten gar nicht mehr Lehramtsstudierende ausbilden wollen. Diese Haltung fußt auf dem Interessengegensatz von Lehre und Forschung, der als weiterer hausgemachter Widerspruch der letzten dreißig Jahre Wissenschaftspolitik die Berliner Hochschullandschaft bis heute prägt. Denn in dem Maße, in dem der Fokus vermehrt auf Exzellenzcluster in der Forschung gelegt wird, schwindet die Lust an der Lehre, wird das Ausbilden zur lästigen Verpflichtung

Exzellente Forschung statt Ausbildung im Fokus

Und so hält sich an den Universitäten die Begeisterung über die neuen Aufgaben in Grenzen. Viel lieber möchte man sich in den Präsidien mit Exzellenz, Forschung und Internationalität beschäftigen, eine Ausrichtung, die die Berliner Politik vor einigen Jahren selbst ausgerufen und vorangetrieben hat. So wechseln sich von Seiten der Politik halbherzig Beglückwünschungen zu erfolgreichen Exzellenzbewerbungen mit Ermahnungen ab, bitte doch das große Ganze im Blick zu behalten. Auf der anderen Seite lässt FU-Präsident Ziegler durchblicken, dass, ginge es nach dem Senat, er seiner Meinung nach die FU auch gleich zur Freien Pädagogischen Hochschule Berlin erklären könnte.

Der Senat hat also, die wütenden Eltern Berliner Schulkinder im Nacken, den politischen Druck stetig erhöht, wobei er bei den Universitäten auf einige Resilienz stößt. Letztendlich scheinen die sich zwar angesichts des Geldhaufens, den der Senat ihnen vor die Tür gesetzt hat, in ihr Schicksal gefügt zu haben. Die Art, wie sie nur widerwillig die Aufgabe annehmen, als Universität auch auszubilden, zeigt aber wieder einmal, wie einseitig die Prioritäten zugunsten der großen Forschung gesetzt sind. Wenn die Universitäten einerseits auf die “Versäumnisse” der Politik hinweisen, dann müssen sie andererseits auch die Rolle rückwärts mitmachen und die Aufgaben annehmen über deren Verlust sie vor 15 Jahren noch bitter klagten.

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