Blutbad am Berliner Ensemble

Michael Thalheimer hat am Berliner Ensemble Macbeth nach Heiner Müller inszeniert – mehr oder weniger. Victor Osterloh hat sich das Blutbad angesehen.

Eine blutige Angelegenheit. Bildmontage. Foto: Matthias Horn, Illustration: Joshua Leibig

Macbeth! Macbeth! Macbeth! Ein Flüstern aus dem dichten Nebel, ein menschlicher Schemen, dann tritt die nackte, mit Blut übergossene Hexe ins Licht. Die Eröffnung ist gelungen, die Zuschauer*innen gepackt – und doch schwant den Misstrauischen im Publikum schon nach diesen ersten Sekunden nichts Gutes.

Denn was als starkes erstes Bild beginnt wird zur durchgehend dreckig, gequält, gepressten Spielweise einer bildlich ambitionierten Inszenierung. Letztendlich kann sie die Spannung nicht halten und kommt so reichlich nuancenarm daher. Bei aller Energie, die Constanze Becker als Lady Macbeth und Sascha Nathan als Macbeth in ihre Rollen stecken, geht das zerrissene Hin und Her der sich gegenseitig in den Abgrund ziehenden Figuren im Strudel der Ekligkeiten unter.

Mord und Totschlag

Dabei wird den Zuschauenden nichts erspart. Der Gewaltexzess auf der Bühne zieht sich durch die gesamte Inszenierung. Er wird nur unterbrochen von heiser geschrienen Dialogen, aus welchen man aber gleich wieder durch brutales Gemeuchel herausgerissen wird. Abgeschnittene Genitalien, spritzendes Kunstblut und grobschlächtige Sexualität reihen sich aneinander und bilden das Hintergrundrauschen für den quälenden Niedergang Macbeths. Seine Kälte und Herrschsucht kommt in all den verkrümmten Leidensposen nur selten zur Geltung.

Auch in Heiner Müllers stark verdichteter Bearbeitung von William Shakespeares Macbeth treiben sich Macbeth und seine Gattin gegenseitig zum Mord an König Duncan an, um die Prophezeiung der Hexen wahr und Macbeth zum Herrscher zu machen. Doch findet Schottland auch nach Macbeths Tod keine Erlösung. Der Kreislauf aus Königsmord und Usurpation endet nicht mit der Krönung Malcoms zum rechtmäßigen Regenten, denn dieser setzt das Schlachten unvermittelt fort. Leidtragende unter dem Hin und Her der Eroberungen sind letztendlich die Bauern. Werden sie nicht nebenbei ermordet, gefoltert oder im Sumpf ertränkt, nehmen sie sich gleich lieber selbst den Strick; sie kommen bei den schnellen Thronfolgen einfach nicht mehr mit. Von alldem ist am Berliner Ensemble aber nur am Rande die Rede.

Shakespears Erbe

Michael Thalheimer versucht eine düstere Prophezeiung, ein unvermeidlichen Schritt in den Abgrund zu inszenieren und  stützt sich damit zu sehr auf den mythisch aufgeladenen, Shakespeareschen Erbteil in Müllers Macbeth. Was bei Müller immanenter Bestandteil von Gesellschaft ist, der Tod, “vom Kollektiv organisiert und das Kollektiv organisierend”, zeichnet Thalheimer als Korumption der Mächtigen, als  Abweichung von einem herrschaftlichen Ideal. Die Hexen werden wieder zu den zentralen Handlungstreibenden, zu Vollstreckerinnen einer schicksalhaften Bestimmung der Figuren.

Wenn Malcom (Kathrin Wehlisch) im Moment seiner Krönung sich mit phänomenal verzerrtem Gesicht vom Unschuldigen zum Schuldigen wandelt, dann arbeitet Thalheimer hier mit der Hoffnungslosigkeit im Angesicht der Wiederkehr des immer gleichen Zyklus aus Gewalt und Tod. Das setzt auf der anderen Seite aber auch eine idealisierende Hoffnung voraus, die überhaupt erst enttäuscht werden kann. Gerade gegen diese Hoffnung aber ist Müllers Stück geschrieben.

Kunstnebel als Nebelkerze

Die Inszenierung will den Stoff auf die Spitze treiben, doch was herauskommt ist ein Gewalt geschwängerter Theaterabend, der so überspitzt ist, dass der Horror unbeabsichtigt ins Absurde umschlägt. Die Bemühungen das Stück zu ästhetisieren münden in einer Reihe von Pressefoto reifen Bildern, gegen die die durchweg gequälten Figuren blaß erscheinen.

Thalheimers Ästhetik übermalt mehr den Inhalt des Stücks als ihm Geltung zu verschaffen. Und so wird der allgegenwärtige Kunstnebel, zur Nebelkerze, hinter der die Müller’schen Beobachtungen zu Gewalt und Tod nur noch sehr schwach durchschimmern.

Die Premiere am Berliner Ensemble war am 29.11.2018. Nächste Vorstellungen: 19.02., 16.03., 17.03. und 23.03.2019.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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