Ich Fahrrad euch, wie ich lern’

In der Philologischen Bibliothek steht neuerdings ein Fahrrad-Ergometer, mit dem Studierende sich fit halten und gleichzeitig Strom erzeugen können. Rabea Westarp hat sich aufs Rad geschwungen.

Uni-Alltag auf der Überholspur. Foto: Rabea Westarp, Montage: Anselm Denfeld

Meine Augen weiten sich, als ich eines Morgens über eine FU-Meldung stolpere, die Famoses verkündet: Ein Fitnessrad in der Philo-Bib! Wie viele Fliegen man da mit einer Klappe schlagen kann. Nicht nur Stromerzeugen für Laptop und Handy soll laut Beschreibung möglich sein, auch soll das Fahrrad-Ergometer beim Strampeln für eine erhöhte Konzentration sorgen. Ich erhoffe mir noch einen weiteren Nutzen: Bei regelmäßigen Sessions auf dem Rad müsste ich meine Lernaktivitäten ins Unermessliche steigern können – und mir die 15 Euro monatlich fürs Fitnessstudio sparen! Dazu kommt die immense Zeitersparnis, wenn ich Sport und Lernen gleichzeitig ausführe, lange Fahrtwege inklusive.

Der Weg ist das Ziel

Bei der nächsten Gelegenheit werfe ich mich also in mein Sportdress und rüste mich gut für die Fahrradtour aus. Mit Traubenzucker (zur Leistungssteigerung sowohl im Kopf als auch den Beinen sicherlich bestens geeignet), einer wohlüberlegten Auswahl an Fitnessriegeln und natürlich einem Sturzhelm ausgestattet – safety first! –, jogge ich hochmotiviert in die Bibliothek. Zugegeben: Zwischen all den Studierenden mit ihren Bücherstapeln komme ich mir in meiner Jogginghose leicht deplatziert vor. Ein Glück, dass sich Faltenhosen und Sakkos wohl eher in der Jura-Bib herumtreiben – zu groß wäre die Angst vor einer neuen Trendsetterin wie mir.

In der Bibliothek die erste Hürde: Wo ist dieses verdammte Fahrrad?! Ziellos irre ich in den drei Stockwerken umher und bin schon jetzt schweißgebadet. Schließlich hole ich mein Handy hervor und sehe mir meinen einzigen Anhaltspunkt erneut an: Ein Instagrambild von der Tageschau auf dem es eindeutig in der dritten Etage steht. Aber hier oben ist nichts! Nach mehreren erfolglosen Etagenwechseln möchte ich mir gerade Rat am Ausgang suchen, als es mir ins Auge fällt: Das Rad! Es wurde offenbar an den Eingang der Bibliothek verstellt. Wahrscheinlich, um schlafende Studis ganz oben nicht durch schnaufendes Strampeln aufzuwecken.

Die irritierten Blicke, die ich ernte, als ich meinen Proviant vor mir ausbreite, den Laptop einstöpsele und mich mit Helm aufs Bike schwinge, blende ich gekonnt aus. Eine, vielleicht zwei Sekunden Aufmerksamkeit schenken mir die Anderen im Vorbeigehen, bevor sie sich hastig auf die Jagd nach dem letzten verbliebenen Spind in der Lernhöhle begeben. Statt an ein Schließfach versuche ich jedoch lediglich, an die Pedale des Ergometers zu kommen. Ganz schön hoch, das Ding! Leider ist der Sitz nicht verstellbar, dafür aber mit einem bequemen Lederpolster ausgestattet.

Durch Berge und Täler

Nach nur wenigen Minuten des Pedalierens überkommt mich Ernüchterung. Das Fahrrad hat keine Schaltung und entscheidet alle paar Sekunden von sich aus, rauf oder runter zu schalten. Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle. Entsprechend schwankt der Widerstand in den Pedalen und ich komme kaum mit. Unterdessen bricht die Stromversorgung meines Laptops alle paar Sekunden ab, wie er mir mit einem warnenden Piepen wiederholt bestätigt. Ich brauche ganz klar mehr Energie! Mit einem entschiedenen Bissen in den Eiweißriegel trete ich erneut in die Pedale. Selbst der staubige Geschmack lässt mich nicht zweifeln – das energischere Strampeln ist tatsächlich erfolgsversprechender. Jetzt also weiter zu Punkt 2: Lernen!

Bis ich mich auf Blackboard eingeloggt habe, vergehen bestimmt fünf Minuten, die von zwei weiteren Stromausfällen geprägt sind. Mein Stresslevel steigt. Aber das ist ja normal beim Sport. Als es dann aber ans Tippen geht, verlassen mich endgültig Mut und Geduld. Die Koordination des Trampelns und dem gleichzeitigen Formulieren und Abtippen eines Essays sind für mich schier unmöglich. Bevor mich ein cholerischer Wutanfall überkommen kann, rutsche ich vom Rad und klaube mein Zeug zusammen. Den angebissenen Riegel schmeiße ich in den Müll. Ab nach Hause. Oder vielleicht doch noch kurz ins Gym.

Autor*in

Rabea Westarp

Das Schreiben nutzt Rabea Westarp als Waffe gegen ihre immense Faulheit und Lethargie. Klappt eigentlich ganz gut.

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