Der Zug ist noch nicht abgefahren

Das neue Azubi-Ticket kostet bald weniger als das Semesterticket. Josefine Strauß freut sich für die Auszubildenden, fordert aber der Gerechtigkeit halber eine Anpassung der Preise.

Der Verkehrsverbund Berlin hat einige Neuerungen der Tarif-Angebote angekündigt: Ab August fahren Schüler im AB-Bereich kostenlos und Auszubildende bezahlen nur noch 365 Euro im Jahr. Möglich wird das durch die Entscheidung der Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grünen. Das klingt erfreulich, ist aber für Studierende mehr als ärgerlich. Mit 397,60 Euro pro Jahr ist das Semesterticket ab diesem Zeitpunkt teurer als das Azubi-Ticket. Außerdem gilt die Fahrtberechtigung für Berliner Studierende nur für den ABC-Bereich, bei Auszubildenden dagegen für ganz Berlin und Brandenburg. Dadurch entsteht ein ungerecht höheres Preislevel für Studierende.

Fair sieht anders aus

Der neue Tarif ist für Auszubildende begrüßenswert, denn die bisherigen jährlichen Kosten von 534 Euro stehen nicht im Verhältnis zu ihrem schmalen Gehalt. Monatlich erhalten Personen in der Berufsausbildung trotz Vollzeitbeschäftigung zum Teil weniger Geld als Studierende mit BaföG, Stipendium oder Werkstudentenjob. Doch es lohnt sich genauer hinzuschauen: Während beispielsweise ein*e angehende*r Schornsteinfeger*in durchschnittlich 518 Euro verdient, erhält ein Maurerlehrling bis zu 1159 Euro monatlich. Dagegen erhalten Studierende mit der maximalen Wochenarbeitszeit von 20 Stunden und einem Stundenlohn von 10 Euro nur 800 Euro im Monat. Somit profitieren Auszubildende von einer günstigeren Fahrkarte, obwohl sie je nach Branche mehr Geld zur Verfügung haben als Studierende.

Begründet wird die Vergünstigung damit, dass Berlin bezahlbarer, familienfreundlicher und grüner werden soll. Ein Ansatz, den das Semesterticket schon lange verfolgt und der unterstützt werden sollte. Denn zum Kauf des Studi-Tickets sind alle Studierenden verpflichtet, dadurch wird es für jede*n günstiger. Da alle das Ticket besitzen, werden sie es wahrscheinlich auch häufiger nutzen. Das Auto wird eher mal stehen gelassen, was wiederum der Umwelt zugutekommt. Darüber hinaus werden die Mehrkosten durch die ausbleibenden VBB-Ticketkäufe auf alle Steuerzahler verlagert, wodurch auch weniger privilegierte Studierende den Nahverkehr nutzen können. Das bekräftigt auch der Semtix-Ratschlag der Berliner Verfassten Studierendenschaften, welcher ebenfalls für eine Angleichung der Ticketpreise plädiert.

Gleiche Bedingungen für ein Miteinander statt Gegeneinander

Studierende und Auszubildende haben viel gemeinsam: Es handelt sich oft um junge Menschen mit wenig Einkommen, die sich in der Lehre befinden und jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen. Warum also nicht dieselben Rahmenbedingungen für beide Gruppen schaffen? Nur so werden alle im Bereich des Nahverkehrs gleich behandelt und keiner wird benachteiligt. Das trägt dazu bei, den jeweiligen Status aneinander anzugleichen und die Kluft zwischen Auszubildenden und Studierenden endlich weiter zu schließen. Man darf gespannt sein, wann das auch der rot-rot-grünen Koalition bewusst wird.

Autor*in

Josefine Strauß

Kann Dinge besser aufschreiben als aussprechen.

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