Wie in der Sardinenbüchse

Viel zu kleine Räume für zu viele Studis. Der Semesterstart ist immer wieder anstrengend, weil die Uni an einer angemessenen Planung scheitert, kommentiert Jette Wiese.

90 Studierende in einem Raum, der für 30 Personen ausgelegt ist. Keine Seltenheit zu Semesterbeginn. Gerade in den „Shopping-Wochen“, der Anmeldephase, in der man in Seminare reinschnuppern und sich nach Belieben an- und wieder abmelden kann, werden die Seminare regelrecht überflutet von Studierenden. Wer noch einen Stehplatz bekommt, kann sich glücklich schätzen. Vielen gelingt es erst gar nicht, die Türschwelle der viel zu kleinen Seminarräume zu passieren.

Was bringt uns da die akademische Viertelstunde, wenn wir eine halbe Stunde früher eintrudeln müssen, um noch einen Sitzplatz zu ergattern? Und was hilft uns die große Errungenschaft, selbst entscheiden zu können, welche Kurse wir an der Uni belegen, wenn dieser Freiheit in der Realität die Türen vor der Nase zugeknallt werden – sofern sie überhaupt noch zugehen?

Anwesenheitspflicht für alle – aber wohin mit ihnen?

Von Professor*innen hört man, es sei nicht abzuschätzen, wie viele Studis an der Veranstaltung interessiert sind. Aber wozu wird dann ein elektronisches Anmeldesystem genutzt, in dem klar ersichtlich ist, wie viele Menschen an welchem Kurs teilnehmen werden?

Wo keine Anwesenheitspflicht gilt, wird argumentiert, dass die Teilnehmer*innenzahl in den kommenden Wochen ohnehin rapide sinken werde, weil Sommer in Berlin, weil Studileben. Natürlich schrumpft die Kursgröße meistens schnell wieder. Aber was sind das für Studienbedingungen, wo wir nur dann in angenehmer Atmosphäre lernen können, wenn die Hälfte der Teilnehmenden ihre Anwesenheitspflicht nicht wahrnimmt? Riskantes Pokerspiel, das die Uni da betreibt.

Zugegeben, das Problem tritt vor allem bei Seminaren auf, die keine Platzbeschränkung haben. Aber auch dort, wo es maximale Kursgrößen gibt, führt der Organisationsmangel zu einem holprigen Semesterstart. Im vergangenen Wintersemester mussten einige Erstsemestler*innen am Fachbereich für Publizistik und Kommunikationswissenschaft feststellen, dass sie bei der Auslosung der Kurse nirgendwo reingekommen waren. Alles war bereit für den Studienbeginn, nur die Seminare haben gefehlt. Man habe die dramatische Situation nicht vorhergesehen, entschuldigte sich die Institutsverwaltung bei den Studierenden. Wie makaber, die ohnehin nervösen Studienanfänger*innen so “herzlich willkommen” zu heißen.

Alle Jahre wieder

Die Raumknappheit zu Semesterbeginn ist in Wahrheit ein massiver Organisationsmangel. Das Argument, man könne die Teilnehmer*innenzahlen nicht abschätzen, ist Bullshit angesichts der genau aufgeschlüsselten Studierendenstatistik der Uni. Auch die Aussage, alles würde sich entspannen, sobald die Hälfte der Leute die Teilnahmepflicht nicht mehr wahrnimmt, hilft wenig, wenn wir uns bis dahin wie Sardinen in der Ölbüchse quetschen müssen.

Stattdessen könnte man auf Hörsäle ausweichen oder bei gutem Wetter rausgehen, um die ersten Semesterwochen zu bewältigen. Kreativ werden. Und vor allem das tun, wozu Seminare da sind: Miteinander diskutieren. Gemeinsam mit den Dozierenden, den Instituten und dem Präsidium. Denn das Problem tritt alle Jahre wieder auf – geändert hat sich bisher nichts.

Autor*in

Jette Wiese

Lieber lange Wörter als Langeweile.

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