Karliczek muss gehen

Die Inkompetenz und Weltfremdheit der Bildungsministerin sind eine Zumutung für die Bundesrepublik, findet Leon Holly.

Manche Skandale werden lautstark über die Titelseiten der Zeitungslandschaft gejagt und in vielen Talkshows breitgetreten. Andere Skandale entdeckt man erstmal gar nicht, da sie still und leise vor sich hin köcheln. Sie werden überhaupt erst zu Skandalen, weil eben nichts passiert. So auch im Falle der Bildungsministerin Anja Karliczek, deren Bilanz bislang ein Gemisch aus Arbeitsverweigerung, Inkompetenz und skurriler Weltfremdheit ist.

Die falsche Frau für den wichtigen Job

Das Ministerium für Forschung und Bildung (BMBF) hat mit rund 18,3 Milliarden Euro den viertgrößten Etat aller Ministerien. Bisherige Resultate? Ein Digitalpakt, den bereits ihre Vorgängerin Johanna Wanka angekündigt hatte, und dessen Finanzierung Karliczek gemeinsam mit den Ländern zwischenzeitlich in den Sand gesetzt hatte. Dann wäre da noch eine halbgare Bafög-Reform per Dekret, die ich für FURIOS bereits kritisiert habe.

Wodurch qualifiziert sich Karliczek überhaupt für ihr Amt? Die gebürtige Ibbenbürerin machte nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Bankkauffrau und Hotelfachfrau. 2003 absolvierte sie ein Studium an der Fern-“Universität“ Hagen. Jemand, deren akademische Erfahrung sich auf einige Computerkurse beläuft, wurde kurzerhand zur Bildungsministerin. Das ist ungefähr so, als würde man jemanden zur Justizministerin machen, weil sie schon mal Richterin Barbara Salesch geschaut hat. Aus ihrer Fachfremdheit macht sie keinen Hehl und betont immer wieder, sie wolle „Fragen stellen“.

Himmlischen Beistand für den technischen Fortschritt

Wenn Karliczek dann mal von sich hören lässt, wird es oftmals peinlich. Bekannt ist ihr Ausspruch zu neuen Mobilfunkfrequenzen, dass 5G nicht an jeder Milchkanne notwendig sei. Zu steigenden Mietpreisen in vielen beliebten Studierendenstädten: “Man muss ja nicht in die teuersten Städte gehen.“ Die Gleichberechtigung von Homosexuellen im Eherecht? „Überstürtzt“. Radotage auch zur Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz, wo Deutschland notorisch China, den USA und anderen Ländern hinterhertrabt: „Wir sind aber auch nicht in den USA. Wir gehen einen anderen, einen eigenen Weg. Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen.“ Gott sprach: Es werde 5G – und nichts geschah. Und Gott sah, dass es schlecht war.

Die Causa Karliczek sollte all jenen zu denken geben, die denken, Ministerialposten sollten nach irgendwie gearteten Identitätsquoten besetzt werden. Die Ministerin wurde wohl unter anderem ausgewählt, weil sie weibliche Katholikin ist und aus Nordrhein-Westfahlen kommt und somit Geschlechterquote sowie Religions- und Regionalproporz erfüllt. Es ist egal, ob die Bildungspolitik dem Ministerium eines atheistischen Schwaben oder einer muslimischen Mecklenburgerin entspringt. Gleichgültig ist allerdings nicht, ob Bildung und Forschung in Deutschland auf beschämende Weise verschlafen und missachtet werden. Deshalb muss Karliczek gehen. Und zwar noch bevor hoffentlich bald auch die Totenglocken der Großen Koalition läuten.

Autor*in

Leon Holly

On the write side of History. @LeonHolly_

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1 Response

  1. Steffen sagt:

    Bei der generellen Einschätzung der Performance von Anja Karliczek bin ich ganz bei dir. Ich würde aber an der Stelle widersprechen, an der Minister*innen “vom Fach” sein müssten, wenn es eine entsprechende Berufserfahrung meint. Ich würde eben nicht kritisieren, dass Karliczek Hotelfachfrau mit Fernstudium ist (und die Anführungszeichen bei der Fernuni Hagen halte ich schon für etwas überheblich), sondern dass sie vorher nie im Feld der Bildungs- und/oder Wissenschaftspolitik unterwegs war. Es geht ja nicht um die Vertretung eines Berufsstands, sondern um eine Einschätzung, was insgesamt politisch und gesellschaftlich im jeweiligen Feld von Bedeutung ist. Sonst dürften auch nur noch Landwirt*innen Agrarminister*innen werden.

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