Von wegen vielseitig

Neue Platte, alte Masche. Von wegen Lisbeth verliert sich in ihrem Album „sweetlilly@93hotmail.com” in Belanglosigkeiten und vergisst die vermeintliche Gesellschaftskritik, für die sie steht, findet Jette Wiese.

Von Wegen Lisbeth beim Haldern Pop Festival 2017. Vielleicht sind sie ja live besser… Bildmontage / Foto: Alexander Kellner, Wikimedia Commons, Illustration: Joshua Liebig

Das neue Album der Indiepop-Band Von Wegen Lisbeth ist raus und glänzt vor allem mit einem: Einheitlichkeit, man möchte sagen, Langeweile. Die Band ist seit ihrem ersten, 2016 erschienenen Album „Grande“ bekannt für skurrile Reime und subtile Gesellschaftskritik, indem sie die lächerlichen Banalitäten des Alltags ins Scheinwerferlicht stellt. In dem neuen Album „sweetlilly93@hotmail.com” verlieren sich die fünf Berliner Musiker jedoch in genau diesen Belanglosigkeiten. Trotz zwei tanzbarer Stücke fast im Stil der Neuen Deutschen Welle, plätschern die 13 Songs mehr oder weniger unbemerkt vom Band. Von den metaphorischen Fetzen an Gesellschaftskritik darin bleibt kaum etwas hängen.

Ohrwurm aber nichts dahinter

Während sie auf der Vorgängerplatte mit „Unterm Schrank“ oder „Wenn du tanzt“ noch so schön besungen wurden, kehrt sich die Band auf dem neuen Album von den eigenen Emotionen eher ab. Stattdessen verschreibt sich Sänger Matthias Rohde der Kritik an der Generation Internet und geheucheltem Weltverbesserertum. So singt er im schnellen und eingängigen „Alexa gib mir mein Geld zurück“ über Selbstoptimierung und das Loser-Sein, Sterni mit Karamellgeschmack und Mayonnaise im Döner. Mit Ohrwurmpotenzial und schönsten Berliner Akzent wird es politisch: „Warum ist die AfD immer noch da, obwohl ich heut’ beim Yoga war?“

Das glaubt man zumindest, denn so richtig klar, was gemeint ist, wird es nie. Die Band verlässt sich sehr auf den vermeintlichen Zauber ihrer kryptischen Reime. So singen sie von „schönen Synergieeffekten“ und dem „Lieferandomann für das kranke Tier in mir, das sich nicht selbst ernähren kann“. Das ständige Gefühl, die Metaebene der Texte nicht ganz zu verstehen, frustriert. Gegen Ende des Albums platzt einem daher fast der Kragen. Hier geben Songs wie „Alle 11 Minuten“ auch musikalisch zu wenig her, als dass sie über die Inhaltsleere einiger Stücke hinwegtäuschen könnten. Es wird viel mehr mit elektronischen Beats gearbeitet, als auf dem letzten Album. Der Aufbau der Songs ist aber meistens gleich geblieben: nettes Vor-Sich-Hin-Geplänkel in relativ schnellem Takt und plötzlich ein Einschub, der die Spannung retten soll.

Metaphern-Tetris

„Sweetlilly93“ ist am Ende also weder sweet, noch so richtig aggressiv. Der Beginn des Albums mit „Wieso“ und „Alexa gib mir mein Geld zurück“ lässt zwar auf Liveshows in Feieratmosphäre hoffen. Spätestens ab dem vierten Song reißt sie aber erstaunlich wenig. Die Band hätte sich sowohl politisch als auch persönlich mehr trauen müssen, denn ihr zynisch-ironischer Blick auf die Welt war ohnehin zu erwarten. Auch musikalisch wäre mehr zu holen gewesen. Die Band versteckt sich geradezu hinter der originellen Stimme ihres Leadsängers. Die Platte besteht somit größtenteils aus entspannter Hintergrundmusik – wären da nicht die nett gemeinten, aber nervigen Pop-Beats. Da könnte man auch gleich die Tetris-Hintergrundmusik hören. Wobei die immerhin Wiedererkennungswert hat.

Sweetlilly93@hotmail.com” ist am 3.Mai bei Sony Music erschienen und ist auf Spotify zu hören. Die Tour und Festivalauftritte dazu hat die Band bereits auf ihrer Website angekündigt.

Autor*in

Jette Wiese

Lieber lange Wörter als Langeweile.

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