Masse statt Klasse

Wer ein berühmtes Kunstwerk besitzen möchte, muss nur in ein Möbelhaus gehen. Was zur Flut günstiger Drucke geführt hat, will die Ausstellung „Billige Bilder“ zeigen. Michael Reinhardt hat sie besucht.

Albrecht Dürer – Feldhase. Collage. Michael Reinhardt

Für gerade einmal 19,97 Euro kann man „25.000 Meisterwerke der Kunst” auf DVD kaufen. Noch vor 30 Jahren war das unvorstellbar, auch wenn zumindest Drucke bekannter Werke käuflich waren. Vor 130 Jahren war es hingegen der elitären Oberschicht vorbehalten, Kunst zu genießen und zu diskutieren. Die Ausstellung „Billige Bilder“ im Foyer der Universitätsbibliothek will die Entwicklung der Kunstreproduktion nachzeichnen. Leider misslingt das weitestgehend, auch weil kein Bezug zur Gegenwart hergestellt wird.

Kein Fokus trotz schärferer Bilder

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Siegen und hangelt sich exemplarisch am „Deutschen Maler“ Albrecht Dürer entlang. Nüchtern-kritisch wird beleuchtet, wie sich die Reproduktion technisch entwickelte. Fotografien wurden in Belichtung und Detailreichtum genauer, während Drucke die Farben präziser wiedergeben. Das ist zwar informativ, aber zu kurz gefasst. Denn damit endet der historische Abriss vor der Einführung digitaler Scans, welche die Reproduktion noch einmal grundlegend verändert haben.

Auch auf gesellschaftliche Prozesse wird eingegangen: Die Flut der Drucke ermöglichte die breitere Besprechung der Kunstwerke, was zur Etablierung der Fächer Kunstgeschichte und Kunst in Universität und Schule führte. Rezeption und Diskussion von Kunst wurden der Elite entrissen und einem breiteren Publikum eröffnet. Die Masse hatte aber ihren eigenen Geschmack, so wurde auch Kitsch zu Kunst erklärt. Nebenbei versucht die Ausstellung zu erklären, wie sich die Dürer-Rezeption entwickelt hat. Damit übernimmt sie sich endgültig und überspannt den kleinen Rahmen.

Albrecht statt Marilyn

“Billige Bilder” ist durch den mangelnden Fokus zugleich flach und sehr voraussetzungsreich. Besucher*innen sind verloren ohne Hintergrundwissen über Walter Benjamins Thesen, über Andy Warhols Reproduktions-Kunst und über die Digitalisierung. Dabei wäre es leicht gewesen, die wahren Auswirkungen auf unsere Zeit zu beschreiben: Heute kann man im Internet nahezu jedes Bild finden, hochauflösend gescannt, oft rechtefrei. Raphaels Putten („diese kleinen Engelchen“) finden sich auf unzähligen Kaffeetassen. „Die Erschaffung Adams“ ist so bekannt, dass Nokia sie lange als Logo verwendete. Warhols ikonische Marilyn wurde selbst tausendfach mit Photoshop nachgeahmt.

Die digitale Kunst-Reproduktion hat die gesamte Welt verändert und Debatten in etlichen wissenschaftlichen Feldern ermöglicht. Banksys Vorführen des Kunstmarktes wäre zum Beispiel sonst undenkbar. Von all dem zeigt „Billige Bilder“ leider nichts. Stattdessen sind verschiedene Dürer-Drucke zu sehen. Die sind zwar nett, aber nicht das, was man sich unter einer Ausstellung über “populäre Kunstgeschichte” vorstellt.

Wer ohnehin zum Lesesaal möchte, kann aber ruhig einen kurzen Halt im Foyer machen. Immerhin ist dort erkennbar, welches Privileg wir heute haben: Jedes Werk nahezu jederzeit und überall betrachten zu können.

„Billige Bilder. Populäre Kunstgeschichte in Monografien und Mappenwerken seit 1900 am Beispiel Albrecht Dürer.“ ist noch bis zum 27. Juni 2019 kostenlos in der Universitätsbibliothek zu sehen.

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