Sparen für die Mülldeponie

Die Vorlesungsreihe „Der Atomkonflikt in Deutschland“ geht in die nächste Runde. Diskutiert wird diesmal über die Finanzierung des Atomausstiegs. Zwischen vielen faltigen Alt-68er-Gesichtern sitzt auch unser Autor Ben Heiden. Eine Glosse.

Tja, irgendwo muss der Kram ja hin. Bild: Pixabay CC0

Die Fertigstellung eines Endlagers werden sie nicht mehr erleben, aber erleben werden sie wohl kaum noch etwas. Das Seminarzentrum der FU gleicht einem Seniorenheim. Der offene Hörsaal lockt die Generation an, welche ihre Jugend dem Kampf gegen die Atomkraft verschrieben hat. Ihre grauen Haare sind der Beweis, wie langwierig so ein Energiewandel sein kann. Beendet ist der Atomausstieg nämlich noch lange nicht. Zwar wird Ende 2022 auch der letzte Reaktor vom Netz genommen, übrig bleiben jedoch die radioaktiven Abfälle. Die fröhlich vor sich hin strahlenden Substanzen suchen jetzt nach einigen Jahren in Castor-Behältern etwas Langfristiges. Leider sind die nuklearen Nebenprodukte als Nachbarn bei uns Deutschen noch unbeliebter als laute und kiffende Studi-WGs.

Es erscheint deshalb unmöglich, vorherzusagen, wie lange die Suche nach einer auf Dauer sicheren Unterkunft für den Atommüll dauert. Das Preisschild von Endlagersuche und -bau vorauszusehen noch unmöglicher. Aber keine Sorge! Unwissen hat bekanntlich noch keine politische Maßnahme verhindert. Das Grünen-Urgestein Jürgen Trittin und die Ökonomin Claudia Kemfert wollen allen Hatern beweisen, dass man auch ohne genauen Preis und Rechnungszeitpunkt über die Finanzierung sprechen kann. 

Fonds for Future

Nach dem Verursacherprinzip sollen für den Atomausstieg ausschließlich die Energiegiganten Eon, Vattenfall, RWE und enBW blechen. In einen öffentlichen Fonds haben sie 2017 bereits 23,3 Mrd. Euro eingezahlt. Bis 2099 kommen auf uns nach den Schätzungen von Claudia Kemfert Kosten in Höhe von mindestens 117 Mrd. Euro zu. Alles easy, sagt Jürgen Trittin. Der Fonds soll einfach mithilfe von schlauen Investitionen bis 2099 genug Kapital erzeugen, um alle durch den Atomausstieg entstehenden Schulden begleichen zu können. Wenn’s weiter nichts ist! Blöd nur, dass der Fonds im letzten Jahr an Wert verloren hat. Zugeschlagen haben die Negativzinsen, der Albtraum jeder schwäbischen Hausfrau.

Wer bei dem Wort Zinsen aufhört zu lesen, macht grundsätzlich alles richtig, verpasst aber in diesem Fall den springenden Punkt: Unser Atomausstieg-Fonds kann sich aufgrund von Null- und Negativzinsen auf dem sicheren Kapitalmarkt nicht vermehren und muss stattdessen auf Investitionen setzen, bei denen immer ein Risiko involviert ist. Um zu sagen, wie viel Geld unser Fonds im Jahre 2099 für den strahlenden Müll zur Verfügung stellt, bräuchte man statt einem Grünen-Politiker mit SoWi-Abschluss also eher eine Jahrmarktshexe mit Kristallkugel.

Prioritätensetzung

Aber selbst wenn Trittin Recht behält und bis 2099 jedes noch so kleine strahlende Atommüll-Partikel unter Tonnen von Erde und Stahl verschwindet: Wenn sich die Welt nicht zeitig von Kohle und Gas verabschiedet, gibt es vielleicht nicht mehr lange Menschen, die dann dieses Wunderwerk deutscher Müllhalden-Architektur bestaunen können. Claudia Kemfert erklärt, dass zumindest Deutschland alle Mittel für den Kohleausstieg bereits in den Pranken hat.

Die erneuerbaren Energien sind nicht nur sauberer und nachhaltiger als ihre schmutzigen Verwandten, sondern ebenso ökonomisch effizienter. Falls ihr aber trotzdem noch Geld braucht, liebe Politiker*innen, um die in Zukunft arbeitslosen Kohlearbeiter*innen zufriedenzustellen und sie nicht an die AfD zu verlieren: 23 Mrd. Euro warten darauf, für sinnvolle Zwecke ausgegeben zu werden, bevor sie sich weiter entwerten. Nur lasst euch damit bitte nicht bis 2038 Zeit!

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