Furios forscht: Social Media Challenges

Unsere Autorin Anabel Rother Godoy hält eigentlich nicht viel von selbstverliebten Prahlversuchen in den sozialen Medien. Für #soberoctober und Furios macht sie aber eine Außnahme.

Alkohol ist im #soberoctober nicht erlaubt. Stattdessen auf dem Speiseplan: gesunde Smoothies. Foto: Pixabay

In unserer heutigen Zeit der Selbstinszenierung, in der viele Menschen nach Perfektion streben und diesen Prozess so minutiös wie möglich auf ihren Social-Media-Kanälen dokumentieren, gibt es so manche „Challenges”, die immer mal wieder die Runde machen.

#transformationtuesday #getfit #motivationmonday #soberoctober

Normalerweise ruft der Anblick dieser prahlerischen Selbstbeschreibungen bei mir den Drang aus, zum erstbesten Fast-Food-Restaurant zu rennen, um einen saftigen Burger zu verschlingen und anschließend ein Bier zu exen. 

Im Namen von Wissenschaft und Forschung habe ich aber allen meinen Werten entsagt und entschieden, am #soberoctober teilzunehmen.

Das Prinzip: Den ganzen Oktober lang verabschiedet man sich von allen berauschenden Substanzen, die man sonst so zu sich nimmt. Lediglich Zigaretten und Kaffee bleiben erlaubt.

Oft wird dieser drastische Lebenswandel von vielen Menschen als Anlass genommen, auch andere Bereiche des Lebens ‘umzukrempeln’. Man geht davon aus, dass man im November zumindest in die alten Gewohnheiten zurückfällt, wenn nicht sogar die Abstinenz des Vormonats mit Extra-Konsum wieder wettmacht.  

Erster Schritt: 

Einer Facebook-Gruppe mit dem Namen “Sober October” beitreten, die von Freunden erstellt wurde, die den ganzen Spaß ebenfalls mitmachen. Für das Durchhaltevermögen und die Motivation soll diese Verbundenheit gut sein. Man leidet schließlich ungern alleine.

Zweiter Schritt: 

Sich panisch vor Augen führen, was das eigentlich bedeuten wird: 

Peinliche Momente in der Bar, wenn man nur eine Cola bestellt und plötzlich hundert Fragen beantworten muss. 

Der Schmerz, wenn alle anderen ein Glas Weißwein trinken und man selbst ablehnen muss. 

Der versagte Genuss eines Joints, der nun nicht mehr nur per Gesetz verboten ist, sondern auch durch die unschlagbare Macht einer Social-Media-Challenge. 

Und die Frage: Kann ich das schaffen?

Dritter Schritt: 

Sich klar machen, was es wirklich bedeutet, wenn man nicht einmal einen Monat ohne Alkohol & Co auskommt. 

Der plötzliche Drang, sich selbst zu beweisen, dass die Dinge doch nicht so schlimm stehen wie es anfänglich scheint. 

“Ja natürlich kann ich das schaffen, was hieße es denn, wenn nicht?!”

Vierter Schritt: 

Am 30. September noch unbedingt zwei Gläser Weißwein genießen und ein schlechtes Gewissen bekommen, dass man das jetzt unbedingt noch machen musste, vor dem langen #soberoctober. 

Ein Versprechen an sich selbst geben, dass man vor den mitleidenden Freunden unbedingt ehrlich sein wird. Die dazugehörige Angst aushalten, als Erste zu versagen. Denn Versagen ist in der Welt von Social-Media der Tod.

Fünfter Schritt:

Anfangen, die Früchte dieser einmonatigen Entsagung einzuheimsen. 

Also: Nicht aufhören über die #soberoctober-Challenge zu sprechen. Egal, wem man begegnet und egal, wie genervt die Person scheint. 

Wirklich darauf eingehen, wie man sich schon jetzt, nach einem Tag, so viel besser fühlt und man die Welt mit anderen Augen sieht.  #healthyaf

Im Detail erklären, was man sonst so für den Monat geplant hat: gesund essen, Fitness machen, produktiv sein. Es muss deutlich werden, dass man jetzt, dank #soberoctober, ein besserer Mensch ist. #healthylife #getfit

Nicht vergessen, auf die Mitmenschen hinabzublicken, die bei #soberoctober nicht mitmachen und sie spüren lassen, dass man nicht mehr auf dem gleichen Level ist. #levelup

Am wichtigsten: Die erfolgreiche Teilnahme an dieser Social-Media-Challenge auf allen vorhandenen Social-Media-Plattformen verbreiten. Mindestens 10 Posts am Tag darüber verfassen, wie stark man ist, weil man um 10 Uhr morgens am 2. Oktober noch nicht zum nächsten Späti gerannt ist, um ein Sterni zu exen. #powerofwill

Alle Mahlzeiten fotografieren, die man unter größter Anstrengung ohne Alkohol zu sich nimmt. #healthylife 

Viele Selfies mit bunten Smoothies posten, am Besten in Fitness-Kleidung, um wirklich zu zeigen wie sehr man sein Leben im Griff hat. #workout

Sechster Schritt:

Nach ein paar Tagen einen Artikel über diesen unglaublichen Lebenswandel schreiben, so als hätte man den Monat schon fast hinter sich, um von der Tatsache abzulenken, dass die anderen Studierenden die letzten Wochen vor Semesterstart nochmal die Sau rauslassen, während man selbst in einer Social-Media-Challenge steckt aus der man nicht mehr rauskommt, aus Angst sich ein paar unschöne Fakten eingestehen zu müssen und vor der gesamten Online-Welt zu versagen.

#soberoctober

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