Es gibt kein Zurück!

Bernd Luckes Rückkehr an die Uni Hamburg hat für Furore gesorgt. Gut so, findet Antonia Böker. Für den AfD-Gründer dürfe es kein Zurück geben.

Er ist wieder da – Bernd Lucke ist an die Uni Hamburg zurückgekehrt. Bevor er 2013 die AfD gründete und sich schließlich im folgenden Jahr beurlauben ließ, um sich seiner politischen Karriere zu widmen, war Lucke nämlich Wirtschaftsprofessor an der Hochschule. Diese wollte zum Comeback kein Statement abgeben, und merkte lediglich an, Lucke sei theoretisch nie nicht Professor gewesen. Eben nur beurlaubt. Ein Statement gab es von anderer Seite: Der Asta organisierte einen Protest im Hörsaal, Luckes Vorlesung musste schließlich abgebrochen werden. Da ließen die ersten Meinungsfreiheitsfetischist*innen nicht lange auf sich warten. Dabei geht es hier nicht um freie Rede. Es geht um Verantwortung.

Schmeißt ihn raus!

Die Verantwortung von Universitäten – und die von Lucke. Die Uni Hamburg ist eine staatliche Hochschule. Sie hat damit, wie alle Universitäten, einen gesellschaftlichen Auftrag. Sie ist, so sagt es der deutsche Hochschulverband, „ein wesentlicher Bestandteil der Kultur eines Landes.“ Wozu an Unis geforscht und was gelehrt wird, fußt also auf einem gewissen Selbstverständnis. Wahrheit ist in der Wissenschaft ein hohes Gut. Diversität, Toleranz, Weltoffenheit sind nicht nur die Grundpfeiler moderner Forschung – sie sind die Essenz der demokratischen Kultur, nach der wir streben. Und das Gegenteil dessen, wofür die AfD steht.

Schon klar, jetzt fragen einige sich: Wo wir schon von Demokratie sprechen, was ist denn dann mit der Freiheit? Nun, für jene, die das allenfalls dem Ethikkurs in der 8. Klasse als Gedankenexperiment geeignete Freiheits-Paradoxon noch nicht durchdrungen haben – die Freiheit der*des Einen hört da auf, wo die Freiheit der Anderen eingeschränkt wird. Das heißt: Die Freiheit von Minderheiten, schlicht zu existieren, trumpft die von Rechten, ihnen eben diese abzusprechen. Lucke nun zu entlassen wäre ein Eingriff in seine Freiheit. Auch diese muss es geben – nicht trotz, sondern zum Schutze einer freien Gesellschaft.

Denn jemand wie Lucke steht für eine Kultur, von der wir zumindest abstreiten, dass sie die unsere ist. Eine sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusste Uni Hamburg wäre sich darüber im Klaren, dass es so etwas wie wertneutrale Personalpolitik nicht gibt. Deswegen sind öffentliche Behörden beispielsweise angehalten, keine Personen mit antidemokratischen Tendenzen einzustellen. (Dass das bestenfalls mittelmäßig klappt, ist eine andere Geschichte.)

Vermeintlich bürgerlich

Halt, mögen einige nun erneut denken. Lucke hat doch aber die Partei verlassen – gerade wegen ihrer erwachsenden rechtsextremen Tendenzen. Erstens: Rechtsextreme Tendenzen gibt es nur dort, wo das Klima sie toleriert und begünstigt. Außerdem: Nicht eine rechtsextreme Partei war für Lucke untragbar, sondern eine, in der er nicht länger die Zügel in der Hand hielt. Sein Austritt befreit Lucke deshalb nicht von jedweder Verantwortung. Er selbst hat seine Rolle für den Aufstieg der AfD in seiner Austrittserklärung am besten zusammengefasst: Er sei ein „bürgerliches Aushängeschild für […] islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten“ gewesen. Natürlich vollkommen ungewollt, nicht etwa billigend in Kauf nehmend. Vorsitzender des Hamburger Asta, Karim Kuropka, bringt es auf den Punkt: Lucke habe ein Monster geschaffen – „und sich dann feige aus der Verantwortung gezogen, indem er die Partei verließ.“

Warum es kein Zurück geben darf

Doch selbst dann, wenn man alle Verantwortung bestreitet; selbst, wenn man glaubt, eine Uni müsse in Personalfragen keine Stellung beziehen: Nun sitzen in Hamburg womöglich POC, Jüd*innen und Muslim*innen, Migrant*innen oder LGBTQI-Personen vor einem Mann, der den Weg bereitet hat für eine neofaschistische Partei, die nun im Bundestag sitzt. Für ein politisches Klima der Verachtung. Den Raum, den man Lucke gibt, nimmt man ihnen. Sie alle können nicht einfach weitermachen, als wäre die AfD nie gegründet worden. Bernd Lucke sollte das auch nicht können.

Autor*in

Antonia Böker

Antonia Böker ist pathologische Klugscheißerin. Deswegen probiert sie es jetzt mal mit Journalismus.

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