Der letzte Auftritt des Clans

„Mädchen, Casinos, Koks, Schutzgeld“ – das sind Toni Hamadys „4 Blocks.“ Oder besser: waren. Der ehemalige Clanchef und Drogenboss ist zahm geworden. Rabea Westarp hat sich bei den neuen Folgen der dritten und letzte Staffel dennoch kein bisschen gelangweilt. Achtung, Spoiler!

Ali “Toni” Hamady (Kida Khodr Ramadan) in 4 Blocks. Foto: TNT Serie, Bildmontage: Elias Fischer, Illustration: Joshua Leibig

Genau da, wo die zweite Staffel vor einem Jahr mit einem Cliffhanger endete, setzt die dritte Staffel 4 Blocks an: Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramadan) will nach der Versöhnung mit seiner Frau zum ersten Mal in den Urlaub fliegen. Nach fast 27 Jahren des Ausharrens mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung haben Toni und dessen Frau Kalila (Maryam Zaree) nun endlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit den Pässen kann der Traum vom rechtmäßigen Leben losgehen. Dann geht alles ganz schnell: Ein tschetschenischer Auftragsmörder schießt durch die Fensterfront des pompösen Hauses auf Toni, trifft aber Frau Kalila. Ende.

Tatsächlich, so erfahren wir in Folge eins, haben die Hamadys die Attacke überlebt – vorerst. Kalila erliegt im Krankenhaus ihren schweren inneren Blutungen, während Toni sich kümmert – um den vom Clan ausfindig gemachten Mörder. Es soll sein letzter Mord sein; und sein letzter Tag als Chef des Hamady-Clans. Zeitsprung.

Toni wird wieder zu Ali

Ein Jahr später setzt die Handlung wieder ein und was den Zuschauer*innen hier präsentiert wird, fühlt sich erstmal ziemlich falsch an. Das Familienoberhaupt hat sich von Bart, Zuhälterkarre, protziger Villa und falschem Namen verabschiedet. Er lebt in einer bescheidenen Wohnung, kämpft um das Sorgerecht für Tochter Serin, das die Schwiegermutter hat. Und während Ali mittlerweile eine Neuköllner Fußballmannschaft trainiert und mit der U-Bahn fährt, leitet Bruder Abbas die Geschicke des Clans.

So weit, so langweilig – denkste! Während sich Alis Kosmos zwar auf das Kiezleben und den Sorgerechtsstreit beschränkt, geht um ihn herum die Post ab. Amara hat Berlin den Rücken gekehrt, ist samt Kindern abgehauen; Abbas, werdender Vater, geht im Drogengeschäft auf; und so einige bekannte Nebencharaktere mischen  wieder mit. Regisseur Özgür Yıldırım wirft die Figuren nach einem Jahr Pause in völlig andere Lebenssituationen, ihre Entwicklung wirkt dennoch glaubhaft. Trotzdem ist schnell klar: Ali wird die Clan-Angelegenheiten wohl nicht für immer ruhen lassen. Als er eines Nachts von einem Libanesen mit vorgehaltener Waffe geweckt wird, der ihn an die Versprechen erinnert, die er als Toni den Zulieferern aus Beirut einst machte, ist die Sache wohl beschlossen. Dabei sind wir hier erst in Folge zwei.

Verrat in den eigenen Reihen

Der sich anbahnende Konflikt, so viel lässt sich nach drei Folgen sagen, wird verheerend. Denn diesmal befindet sich der Verräter nicht in den Reihen der Polizei oder anderen Clans, sondern der eigenen Familie. Auch vom LKA darf man wohl noch etwas erwarten. Mit dem Bezug auf reale Entwicklungen in Berlin, etwa das verschärfte Vorgehen der Polizei gegen Clankriminalität, schafft 4 Blocks das authentische Neukölln-Feeling.

Gewohnt zügig schreitet die Handlung in den ersten drei Folgen der finalen Staffel voran. Die Mischung aus Spannung, den gefeierten, aber auch oft kritisierten Szenen von Drogenkonsum, Gewaltexzessen,Blutrache und charakterlichen Schlüsselmomenten folgt dabei dem altbewährten Rezept. Überraschend: Die bisherigen Folgen sind unerwartet lustig. Haben Abbas und Freundin Ewa immer schon für Auflockerung durch Komik gesorgt, werden sie jetzt noch von Zeki und Tilo ergänzt; dem Duo, das sich einen Namen im Drogenbusiness machen will. Wenn dann noch das gentrifizierte Berlin der Start-ups auf die Schippe genommen wird, ist die Mixtur aus authentischen Cringe-Momenten und kuriosen Dealergeschichten perfekt. Dasgrenzt hier und da schon an Slapstick, aber das ist Geschmackssache.

Ende mit moralischem Zeigefinger?

Ein paar Fragen bleiben aber unbeantwortet: Wo zur Hölle kommt plötzlich Kalilas Mutter her? Und warum haben sich Toni und Abbas kein bisschen für den Verbleib von Schwester Amara interessiert? Naja, sei’s drum.

Der verständnisvolle Schlichter im Hintergrund wird Ali in den letzten drei Folgen wohl nicht bleiben. Das ahnt man spätestens, als er nachts seine Waschmaschine aufschraubt und eine Knarre hervorholt. Ob er dem Befehl aus dem Libanon, den Betrüger aus den eigenen Reihen auszuliefern und sich somit gegen die eigene Familie zu stellen, nachkommt, steht komplett in den Sternen. Ebenso der Ausgang der Serie. Denn, Hand aufs Herz: Irgendwie haben wir die Gangster-Familie aus Neukölln, die massenhaft Morde und Gewalttaten auf zu verantworten hat, ein bisschen zu liebgewonnen. Dass die Hamadys das Serienfinale unbeschadet überstehen, ist allein aus moralischer Perspektive höchst unwahrscheinlich.

Die finale Staffel von 4 Blocks ist derzeit immer donnerstags um 21 Uhr auf TNT Serie zu sehen.

Autor*in

Rabea Westarp

Das Schreiben nutzt Rabea Westarp als Waffe gegen ihre immense Faulheit und Lethargie. Klappt eigentlich ganz gut.

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