Rebellion passt uns grad ganz gut in’ Kram

Das FU-Präsidium fährt eine neue Strategie in Sachen Hörsaalbesetzung: Es wird nicht geräumt, denn Klimaprotest passt gut zum Nachhaltigkeitsmarketing. Doch damit wird die Bewegung unterschätzt, kommentiert Jette Wiese. 

Vier Tage lang besetzten Studierende einen Hörsaal, um gegen die aktuelle Klimapolitik zu demonstrieren. Die Klimastreikwoche bekam so viel Aufmerksamkeit, wie kaum eine politische Bewegung innerhalb der FU-Studierendenschaft in den vergangenen Jahren. Das Präsidium zeigte sich kulant und duldete die Besetzung in der Rost- und Silberlaube. 

Diese Offenheit gegenüber einer studentischen Initiative ist neu. Bei früheren Regungen in den Reihen der Studierenden sah das noch anders aus, denkt man zum Beispiel an die Besetzung für mehr studentischen Freiraum im Frühjahr 2017. Der damalige Präsident Alt ordnete binnen weniger Stunden die Räumung an, 19 Studierende wurden wegen Hausfriedensbruchs angeklagt. Klare Kante.

FU wirbt für Fridays-for-future

Der Akademische Senat sprach der Fridays-for-future-Gruppe hingegen im Sommer seine grundsätzliche Solidarität aus. Man befürworte es, „wenn sich Studierende für gesellschaftlich relevante Themen einsetzen“, heißt es auf Anfrage der FURIOS aus dem Präsidium.

Auf dem Hintergrund der sonst harten Linie gegenüber Uniprotesten überrascht es dennoch, dass der offizielle FU-Instagramaccount sogar Werbung für die Public Climate School, einem Teil der Streikwoche, schaltete. Das mag ernst gemeinte Unterstützung sein, vielleicht passt es aber auch schlichtweg gut in die Nachhaltigkeitsagenda. Als öffentliche Institution unter dem Wappen „Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit“ kann man es sich wohl kaum leisten, die Klimaproteste zu ignorieren – besonders nicht angesichts des neuerlichen Interesses der AfD an den Geschehnissen in Dahlem. 

Keine Revolution, aber ein Anfang

Dass aus der Streikwoche bislang keine konkreten Forderungen an die Uni  hervorgingen, kommt der Hochschulleitung da gelegen. So lange die Studierendenschaft ihr Präsidium nicht explizit anklagt, weil kein klimaneutrales Mensaessen verkauft und mit Aktien von Kohlekonzernen Geld verdient wird, so lange kann sie der Uni ein Aushängeschild sein. Es bleibt gemütlich für die grauen Herren und Damen. Die Klimaaktion hat zwar Aufsehen erregt, bislang aber nichts geändert. Sie war kein echter Streik und erst recht keine Revolution. Selbst das Wort „Besetzung“ ist hochgestochen angesichts der Tatsache, dass der Hörsaal offiziell für die Vollversammlung gebucht und die Woche über für die Public Climate School zur Verfügung gestellt wurde.

Allerdings sollte auch das Präsidium genau hinsehen: Die Aktion hat immerhin gezeigt, wie ein Thema die unterschiedlichsten Gruppen bewegt, die Studierendenschaft politisch nicht tot ist. Ja, irgendwann wird es konkrete Forderungen nach einer umweltfreundlicheren Uni geben – und das Präsidium wird beweisen müssen, wie ernst es die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele nimmt. Auch der Ruf nach mehr studentischer Mitbestimmung, der im Hörsaal 1A in den letzten Tagen mächtig laut erklang, wird so schnell nicht verstummen. In der Hoffnung, dass es sich bewahrheiten wird, gilt deshalb für Präsidium wie für Aktivist*innen: Das war nur der Anfang. 

In einer früheren Version dieses Artikels schrieb die Autorin, der besetzte Hörsaal sei für die gesamte Woche offiziell gebucht gewesen. Dies haben wir auf den Hinweis eines Lesers hin geändert.

Autor*in

Jette Wiese

Lieber lange Wörter als Langeweile.

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