Studentische Projekttutorien kommen!

Ausgerechnet die von Studierenden viel kritisierte Exzellenzstrategie könnte noch in diesem Jahr für ein selbstbestimmteres Studium an Berliner Universitäten sorgen. Von Julian von Bülow.

2009 streikten FU-Studis für selbstbestimmtes Lernen, nun könnte ausgerechnet die von Studierenden viel kritisierte Exzellenzstrategie ihren Wunsch ein Stück weit erfüllen. Foto: Cora-Mae Gregorschewski
2009 streikten FU-Studis für selbstbestimmtes Lernen, nun könnte ausgerechnet die von Studierenden viel kritisierte Exzellenzstrategie ihren Wunsch ein Stück weit erfüllen. Foto: Cora-Mae Gregorschewski

Die Dozierenden klagen, dass Erstsemester kaum selbstorganisiert arbeiten könnten und die Studis klagen, dass die Studiengänge zu verschult seien, sie wenig Wahlfreiheit und häufig Frontalunterricht hätten. Diese Probleme geht man an anderen Unis mit studentischen Projekttutorien an, in denen sich Studierende gemeinsam weiterbilden – unter Koordination bezahlter Kommiliton*innen, anrechenbar, praxisorientiert und interdisziplinär. An der TU und HU gibt es sie, an der FU nicht, doch noch in diesem Jahr könnte sich das ändern.

Jugend forscht: Demnächst auch an deiner Uni!

Im Rahmen der Exzellenzförderung will der Verbund aus FU, TU und HU unter dem Namen „Berlin Student Research Opportunities Program X (StuROPx)“ sogenannte X-Tutorials schaffen. Am Donnerstag endet die Bewerbungsfrist der vom Verbund ausgeschriebenen Stelle für die Koordination des Programms. Zum Aufgabenprofil gehören dabei die „Konzeptentwicklung, Koordination und Umsetzung des Programms StuROPx“ Die Tutorien finden dann je nach Antragsteller*innen an Charité, Humboldt-, Technischer oder Freier Universität statt. Außerdem sind weitere Neuerungen, wie ein berlinweites Kurssystem und studentische Forschungsgruppen geplant, wie FURIOS bereits berichtete. Damit wachsen die drei Berliner Universitäten ein Stück weit zusammen.

Auf FURIOS-Anfrage teilte die HU mit, dass sich eine zweistellige Zahl an Personen beworben hätte und das Programm gegebenenfalls schon zum Wintersemester 2020 starten könnte. In der Bewerbung des Exzellenzverbundes, die FURIOS vorliegt, sind jedenfalls von 2020 bis 2026 jedes Jahr rund 660.000 Euro für das StuROPx veranschlagt. Und dass die Koordination beim Erarbeiten des Konzeptes keineswegs bei null anfangen müsste, zeigte zuletzt die „Gala der Projekttutorien“.

Tutorien an HU und TU zeigen Licht und Schatten 

Denn eine Handvoll FU-Studierender hatte am Montagabend zu einer Infoveranstaltung eingeladen, um unabhängig von der obigen Planung für Projekttutorien an der FU zu mobilisieren. Nina Lorkowski, Koordinatorin der TU-Projekttutorien, erklärte den Ablauf von der Beantragung bis zur Bewilligung der Tutorien. Sie unterstützt TU-Tutor*innen in allen Phasen und die*der künftige Koordinator*in der X-Tutorien scheint dabei eine ähnliche Rolle einzunehmen.

Lorkowski hebt dabei auch die Vorteile für die Hochschulverwaltung hervor: „Das Tutorienprogramm kostet wenig angesichts dessen, was die Studierenden geliefert bekommen. Die Stellen für Tutor*innen sind im Vergleich zu denen von Dozierenden sehr günstig.“ 

An der TU sowie HU ermöglichen die studentischen Tutorien ein breites Themenangebot, Studierende vermitteln einander Inhalte von Cyberpunk, alternativer Geschichtsschreibung der Türkei, über Plattformkapitalismus bis Imkern in der Stadt. „Sobald man Studis Verantwortung übergibt, stecken die da unglaublich viel Arbeit rein. Denen werden gute Noten nicht einfach hinterhergeworfen“, so Lorkowski.

Voll ausgelastet sind die Tutorien bisher aber nicht immer. Svenja Huck koordiniert das Projekttutorium „Auf der Suche nach einer alternativen Geschichte der Türkei“ an der HU. Sie erklärt, dass sich bei ihr sechs Leute angemeldet hätten und letztlich nur zwei erschienen sind. Die geringe Nachfrage liege auch daran, dass die zwei Leistungspunkte für viele keine Attraktivität hätten, wenn sie in der gleichen Zeit auch eine Vorlesung ohne Anwesenheitspflicht für zehn LP belegen könnten. Aus dem Publikum ergänzte jemand, die Studierenden hätten sehr hohe Erwartungen an die Inhalte der Tutorien. Ziel sei es jedoch, Anstöße und Methoden zu liefern, um sich die Inhalte selbst zu erarbeiten.

Mit Blick auf die angekündigten X-Tutorials ist Nina Lorkowski jedoch optimistisch: Sie selbst war in der Arbeitsgruppe und hat an der entsprechenden Passage der Exzellenzbewerbung mitgearbeitet. Wie die konkrete Ausgestaltung dann aussehen wird, bleibt aber abzuwarten.


Korrektur vom 07.02.2020: In der vorigen Version dieses Artikels hieß es, Lorkowski sei an der Fassung der BUA-Bewerbung beteiligt gewesen. Sie arbeitete allerdings lediglich an der Erarbeitung des X-Tutorial-Konzeptes mit, was unabhängig vom Verfassen des BUA-Bewerbungstext geschah. Außerdem hieß es zuvor mit Verweis auf die vglw. geringen Kosten des TU-Tutorienprogramms, sie mahne, dass Tutorien einen Anreiz böten, die Lehre auszulagern. Dabei ging es jedoch viel mehr darum, die Vorteile von Projekttutorien für die Hochschulverwaltung darzulegen.

Autor*in

Julian von Bülow

interessiert sich für Politik, Geschichte und Technik. Freier Journalist für Text, Audio und Video. Auf Mastodon und Bluesky erreichbar.

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