Singst du noch oder liebst du schon?

Sich ordentlich zu benehmen ist nicht immer einfach. Wie gut, dass es Knigge gibt! #kniggegehtum: Eine eigene Vorlesungsreihe nimmt sich dem Meister der Manieren an. Unsere Autorin Barbara Saur hat zugehört und weiß nun: Auch im Mittelalter gab es strikte Benimmregeln. Vor allem, wenn Liebe im Spiel ist.

Adolph Freiherr von Knigge in all seiner Papp-Pracht. Bildquelle: Melanie Wiener

„Über den Umgang mit Menschen“, hat Adolph Freiherr Knigge sein wohl berühmtestes Werk überschrieben. Tadelloses Benehmen und mustergültige Manieren gehören zum guten Ton und lassen Rückschlüsse auf den sozialen Stand zu – heute wie zu Knigges Zeiten im 18. Jahrhundert. Ziel war es, den Menschen die Vorzüge guten Benehmens näher zu bringen. Wieso sind die Benimmregeln Knigges heute immer noch relevant? In einer eigenen Ringvorlesung des Dahlem Humanities Centers (DHC) versucht man in diesem Semester interdisziplinär, der Beliebtheit des höflichen Freiherrn nachzuspüren. Diesmal auf der Tagesordnung: „Vom Umgang der Geschlechter in der höfischen Kultur des Mittelalters“.

Der Klang der Liebe

Vorn steht eine lebensgroße Pappfigur des Adolph Freiherr von Knigge, neben ihr Andreas Kraß, Literaturwissenschaftler an der Humboldt Universität. „Ich bin früher mit der U-Bahn gekommen, weil ich mich immer verlaufe“, sagt der Gastredner und sorgt für heiteres Gelächter im Saal. Die Atmosphäre ist entspannt, die allgemeine Stimmung gelöst. Wenig zu lachen hatten im Gegenzug die Minnesänger im Mittelalter. Meist trauerten sie verbittert ihrer geliebten Maid hinterher, ohne jemals Erfolge zu verbuchen. Mit verzückten, romantischen Liedstrophen versuchten sie ihre Angebetete zu erreichen und für sich zu gewinnen. Die sogenannte „höfische Liebe“ hatte im Mittelalter Hochkonjunktur. Darunter war jedoch weniger tatsächliche Liebe als die Überhöhung und Bewunderung der Geliebten zu verstehen: Die Angebetete hatte eine gesellschaftliche Verpflichtung zu erfüllen und konnte der Minne keineswegs nachgeben. Vermählt wurde sie in der damaligen Zeit nur in Adelskreisen unter Berücksichtigung politischer Ränke und Verträge. Der Minnesang zeichnete sich meist durch Klagen über die unerreichbare Liebe aus: Es war eine Odyssee des qualvollen Leidens des Liebenden.

Im Hörsaal kann man deutlich vernehmen, dass die Textauszüge der Minnesänger das Publikum berühren und viele der Frauen und Männer ergriffen sind oder schmunzeln. Manch einer mag sich wohl wünschen, dass man(n) heutzutage mehr Mut zum Macho hat. Es muss ja nicht gleich ein Liebesgedicht sein. Knigge sprach daher statt höfischer lieber von „höflicher Liebe“: Dabei geht es um ein tatsächliches Verhältnis, um die Beziehung und dem Umgang von zwei Personen miteinander.

Narzissmus – Leidenschaft, die Leiden schafft 

Im Mittelalter war die gegenseitige Zuneigung zweitrangig, die Eroberung der Geliebten unwahrscheinlich. Viele Lyriker verliebten sich stattdessen in sich selbst und gingen daran zugrunde. „Der Minnesang ist ein narzisstisches Phänomen”, sagt Kraß, denn es geht dabei weniger um den tatsächlichen Kontakt mit der Dame. Vielmehr steht die eigene Gefühlslage im Vordergrund. Die Nennung des Verfassers in den Gesängen hatte einen hohen Stellenwert und wurde über die Nennung der Angebeteten gestellt. Kraß betont, dass es das Schlimmste wäre, wenn die Dame ihren Verehrer tatsächlich erhören würde. Die Zuhörer*innen lachen. Liebe scheint auch vor tausend Jahren nicht gerade einfach gewesen zu sein. Egal, ob man der Liebe seines Lebens hinterherrennt, oder sich selbst verliebte Blicke im Spiegel zuwirft. Die Liebe ist und bleibt ein unordentliches Gefühl.

Jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr wird unter dem Motto „Über den Umgang mit Menschen“ zur interdisziplinären Ringvorlesung eingeladen. Die nächste Vorlesung finden am 22. Januar zu „Politik und Höflichkeit. Überlegungen zum diplomatischen Zeremoniell in der Frühen Neuzeit“ statt.

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